Plastik im Meer

Zwei Mal bis zum Mond und zurück

Lesezeit:
6 minuten

15 June 2017

Titelbild: Lance Asper/Unsplash

Viele Initiativen arbeiten gegen die Plastikverschmutzung der Meere

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6 minuten

15 June 2017
Wir zeigen die innovativsten Ideen und Projekte, wie weltweit gegen die riesige Welle an Plastikmüll in unseren Ozeanen angekämpft wird

Man stelle sich vor: 4 bis 12 Millionen Tonnen Plastik erreichen jedes Jahr die Ozeane unser Erde, denn jede Minute wird ein Lastwagen voller Müll in die Meere gekippt, nicht nur bildlich gesehen.

Plastik ist robust, hält ewig und ist nicht ohne Grund in unserem Alltag allgegenwärtig. Doch keine Zahnbürste, kein Handy und keine Trinkflasche wird ewig genutzt und landet in vielen Teilen der Welt auf der Straße, in Seen, Flüssen und am Ende im Meer. Eine herkömmliche Plastikflasche braucht 450 Jahre bis sie sich vollständig zersetzt hat, wenn sie nicht wie in Deutschland zu den 41 Prozent des Kunststoffes gehört, der als Werkstoff recycelt wird. Und es gibt sie, die riesigen Müllfelder auf der Wasseroberfläche, an denen sich das Plastik sammelt, aber das Problem sitzt noch tiefer. Denn die Teile zersetzen sich oder werden gleich als Mikroplastik produziert, für Gesichtspeelings, Sonnencreme und Co. Es existieren also Milliarden Tonnen von Plastik-Konfetti, die sich kaum wieder einfangen lassen.

„There’s enough plastic on the ocean’s surface to go to the moon and back twice.“

Die Giftstoffe, die das Mikroplastik an seine Umgebung abgibt, gelangen an die Meerestiere, welche so oder durch verschluckte Teile sterben können. Schildkröten, die Plastiktüten mit Quallen verwechseln, Delphine, die an Netzen ersticken oder Vögel, die Plastik-Teile essen und trotz vollem Magen verhungern. Das Problem wird immer akuter und 2050 könnte die Menge an Plastik die Menge an Fischen übersteigen. Fisch ist die wichtigste Eiweißquelle für den Menschen, diese verwechseln jedoch den Kunststoff mit Plankton und so landet der Müll früher oder später über die Nahrungskette wieder auf den Tellern.

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Wer stoppt diesen Kreislauf?

Die To-Do-Liste für die Erhaltung unserer Meere und somit unserer Lebensgrundlage ist lang. Noch letzte Woche fand die erste Meereskonferenz der UNO zum Schutz der Ozeane statt. 193 Staaten trafen sich, in ihrer Abschlusserklärung sprachen sie sich für eine nachhaltige Nutzung der Ozeane aus, die Verschmutzung zu reduzieren und die Meere zu konservieren. Die Probleme: Bescheid weiß nun jeder, aber die Ziele und Verpflichtungen sind freiwillig, kontrolliert und überprüft werden die Länder nicht. Es fehlt an konkreten und simplen Lösungen.

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Die UN hat mit ihrer #CleanSeas-Kampagne Mikroplastik und Einweg-Produkten den Kampf angesagt. Die EU entwickelt derzeit eine Plastikstrategie mit 7-Punkte-Plan, um die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Politik muss konkret ran, die Industrie braucht einen Umschwung und der Verbraucher ein Bewusstsein dafür, was er wirklich kauft. Eine der größten Aktionen, um auf unsere Ozeane aufmerksam zu machen ist der World Oceans Day, der gerade am 8. Juni stattfand, ein Tag, um weltweit das Meer und die Zusammenarbeit für eine bessere Zukunft zu feiern. Der Fokus in diesem Jahr: Prävention der Verschmutzung der Meere durch Plastik. Auf die Probleme aufmerksam machen ist das eine, konkrete Lösungen sind noch besser.

Deshalb listen wir hier 7 Projekte auf, die genau wissen, was sie tun, um etwas zu verändern und das Meer von Plastik zu befreien:

1. The International Coastal Cleanup Day

Wer?: Die Ocean Conservancy ist eine amerikanische Umwelt-Organisation, die zur größten freiwilligen Meeresschutzaktion aufruft. Weltweit ermutigen sie Menschen zu handeln, und an der Vision vom plastikfreien Meer festzuhalten. Neben dem Cleanup Day arbeiten sie an Forschungsprogrammen und leisten Aufklärungsarbeit.

Was steckt dahinter?: Ein riesiges Netzwerk von Freiwilligen, über 12 Millionen Menschen über alle Landesgrenzen hinaus, befreien seit über 30 Jahren am Coastal-Cleanup-Day weltweit Strände von Plastik-Müll. Dieses Jahr findet die Aktion am 16. September 2017 statt und jeder Freiwillige zählt. An deutschen Stränden wird der Cleanup-Day vom Naturschutzbund (NABU) organisiert und die Zahlen aus dem letztem Jahr spreche für sich: Freiwillige aus 112 Ländern haben es geschafft, gemeinsam über 8000 Tonnen Müll zu sammeln.

2. The Plastic Bank

Wer?: Der Kanadier David Katz und sein Co-Founder Shaun Frankson erkannten den Wert von Plastikmüll und erfanden das Prinzip des Social-Plastic als Währungsform, bevor der Müll ins Meer gelangen kann. Sie gingen mit ihrem Projekt nach Haiti und erweiterten es inzwischen auf die Philippinen, sowie bald Indonesien und Brasilien.

Was steckt dahinter?: Die Plastic Bank sieht die Unmengen Müll als Ressource und sorgt dafür, dass Plastikmüll für die Bewohner von Haiti wieder einen Wert bekommt. Sie schaffen ein Tauschgeschäft und bezahlen für den gesammelten und abgegeben Müll, der dadurch reduziert wird. Die Kunststoffe werden so umweltgerecht recycelt und an Firmen wie die Kosmetikfirma Lush weiterverkauft. Sie arbeiten inzwischen mit großen Unternehmen wie IBM zusammen und die Plastic-Bank-App steht bereits für einen weltweiten Nutzen in den Startlöchern.

3. One Earth – One Ocean

Wer?: One Earth-One Ocean ist ein Umweltschutz-Verein aus Deutschland, deren Vision es ist, mit Hilfe ihrer selbst entworfenen Katamarane eine Art maritime Müllabfuhr zu schaffen, um das Meer von Plastikmüll, Öl und Chemikalien zu befreien und Plastik zurück in den Wertstoff-Kreislauf zu führen.

Was steckt dahinter?: Die Seekuh in Katamaran-Form fährt als Müllwagen und Forschungsschiff mit Wind- und Solar-Energie vor allem durch Pazifik und Atlantik und grast Plastikmüll auf der Meeresoberfläche ab. Gesammelt wird kein Mikroplastik sondern sichtbare Plastikteile in Netzen, die die See-Farmer, ihre Begleiter-Schiffe, einsammeln und an Land bringen. Die Seekuh ist extrem mobil, so kann auch auf Flüssen Müll gesammelt werden, der dadurch gar nicht erst in den Ozean gelangt. Der See-Elefant geht noch einen Schritt weiter und sorgt für eine Komplettreinigung der Meere: Er begleitet die Seekuh und verarbeitet einen Teil des Mülls zu erneuerbaren Energien, unter anderem schwefelfreiem Öl, das vorbeifahrende Tanker direkt tanken können. Aus einer Tonne Kunststoff können heute bereits bis zu 900 Liter leichtes Heizöl produziert werden.

4. Clean Oceans International

Wer?: Plastikmüll in Öl umwandeln und es direkt wiederverwenden klingt nach der perfekten Lösung, um die Meere aufzuräumen. James Holm, ein Segler, der auf seinen Trips zunehmend beobachtete, wie es um die Plastikverschmutzung steht und sein Partner Swaminathan Ramesh, ein erfolgreicher Chemiker, entwickelten mit Clean Oceans International einen Reaktor, der dazu fähig ist.

Was steckt dahinter?: Durch einen kleinen, mobilen Reaktor, der direkt auf dem Schiff arbeiten kann, wird scheinbar wertloses Plastik in wertvolles Diesel-Öl umgewandelt. Ein Zyklus, bei dem das Boot durch umhertreibenden Müll mit Treibstoff und sich so selbst versorgen kann. Einziger Rückschritt: Der ganze konvertierte Treibstoff würde sofort wieder verbrannt und eine nicht unwichtige Menge Kohlenstoff in die Atmosphäre gepustet werden. Der erste große Test wird in Santa Cruz, Kalifornien stattfinden, wo das Plastik in Diesel umgewandelt werden soll, um City-Bikes mit Energie zu versorgen. Ob der Reaktor im großen Rahmen auf hoher See funktioniert, muss sich noch beweisen.

5. Fishing For Litter

Wer?: Mit Fishing for Litter setzt sich die Umweltorganisation KIMO dafür ein, die Fischer-Industrie in den Einsatz für ein plastikfreies Meer einzubeziehen. KIMO ist ein europaweites Netzwerk von Küsten-Gemeinden, das an deutschen Häfen der Nord-und Ostseeküste durch den NABU vertreten wird.

Was steckt dahinter?: Wenn Fischern neben ihrem Fang eine Menge Müll ins Netz geht, ist es entscheidend, dass dieser nicht zurück ins Meer gekippt wird. Weil die Entsorgung an Land allerdings extra kostet und die Kapazitäten oft fehlen, sorgt Fishing for Litter dafür, dass an Land kostenfreie und dazu umweltgerechte Müllentsorgung gestellt wird. Eine simple, aber effektive Idee, da den Fischern immer mehr ins Netz geht.

6. The Seabin Project

Wer?: Die zwei Surfer aus Australien, Peter Ceglinski and Andrew Turton, wollten nicht länger hilflos zusehen, wie ihre Surf-Strände weiter zumüllen und entwickelten einen schwimmenden Mülleimer. Die beiden sammelten per Crowdfunding für ihr Projekt The Seabin Project und der Vertrag zur Produktion ist bereits unterschrieben.

Was steckt dahinter?: „Cleaning the oceans one marina at a time“ lautet der Slogan – Ein Mülleimer für Küsten-Häfen, die eine bekannte Sammelstelle für Meeresmüll sind. Die kleinen mobilen Eimer schwimmen an der Wasseroberfläche, filtern mit Hilfe einer elektrischen Pumpe das Plastik aus dem Wasser, sammeln alles in einem Sack aus Naturfaser und das Wasser kann gegebenenfalls entölt und zurückgepumpt werden. Seit Anfang Mai wird der erste Seabin im Hafen von Helsinki eingesetzt, in wenigen Monaten sollen sie frei zu kaufen sein und an große Hafen-Abnehmer gehen.

7. The Ocean Cleanup

Wer?: Boyan Slat ist 22 Jahre jung und schon ein kleiner Star unter den Meeres-Aktivisten. Die Idee zum großen Cleanup kam ihm in seinem letzten Schuljahr.

Was steckt dahinter?: Das Konstrukt ist eine Schwimmbarriere für Plastikteile, welche durch kilometerlange Gummi-Röhren und eine Art Unterwasser-Sieb eingefangen werden und so auf der Meeresoberfläche abgefischt, an Land gebracht und recycelt werden können. Inzwischen ist The Ocean Cleanup wohl die bekannteste Meeressäuberungsaktion und eine Nonprofit-Foundation mit über 60 Mitarbeitern, die gerade die Spendensumme von 22 Millionen US-Dollar knackte und früher als geplant starten kann. In den nächsten zwölf Monaten soll das Plastiksammeln auf dem größten Müllfeld im Pazifik losgehen – und in fünf Jahren auf die Hälfte reduziert sein. Kritiker halten das für unrealistisch und befürchten sogar, dass die Maschine Schaden anrichten kann. In jedem Fall hat the Ocean Cleanup dem Thema plastikfreies Meer viel Aufmerksamkeit geschenkt.

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Die Lösung liegt an Land

Ob das alles nur Tropfen auf den heißen Stein sind, darüber wird gestritten. Im gesammelten Plastik können auch wirtschaftliche Chancen stecken, schließlich sind es enorme Ressourcen, die in den Meeren schwimmen und verarbeitet werden können. Trotzdem ist das Rausfischen eigentlich viel zu teuer und sollte irgendwann überflüssig werden. Die Industrie braucht eine Komplettüberholung, um Produkte zu produzieren, die harmlos für die Umwelt und somit schneller abbaubar sind.

Klar ist jedenfalls: Das Wichtigste ist es, Plastik gar nicht erst ins Meer gelangen zu lassen und die Produktion zu reduzieren. „Pollution-free packaging“, „Cradle-to-cradle“ und ein Nein zu Einweg-Produkten sind nur drei von vielen Mantras, denen wir als Konsumenten folgen sollten. Damit wir am Ende keine Ozeane voller Zahnbürsten, Flip-Flops und Deo-Roller haben.

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