Kommentar

Greenpeace mag Mikroplastik nicht

Lesezeit:
3 minuten

24 April 2016

Titelbild: Sharon McCutcheon/Unsplash

Dass Mikroplastik gefährlich ist, gilt als gesichert. Tendenziöse Umfragen wie eine von Greenpeace aus Großbritannien hilft in der Problematik aber nicht weiter

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24 April 2016
Mikroplastik ist schlimm und gehört verboten. Soweit, so gut. Dafür setzt sich natürlich auch Greenpeace ein. Und jetzt zeigt sogar eine Studie der Umweltschützer aus Großbritannien: Die Leute wollen die Kleinstpartikel verboten sehen. Die Sache ist nur leider nicht ganz so einfach und klar. Ein Kommentar

Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Die Vorstellungen, was „gefälscht“ bedeutet, gehen weit auseinander. Oft kranken Untersuchungen an systematischen Mängeln im Versuchsaufbau.

Aber Studien bringen Schlagzeilen, vor allem mit knackigen Ergebnissen. Das gipfelt bei Greenpeace in der Überschrift: „Über 90 Prozent der Briten wollen, dass Cameron (Anm. d. R.: James Cameron, britischer Premierminister) Mikroplastik verbietet.“ Bis zu dieser Headline ist es aber ein weiter, trickreicher Weg.

Denn die erste Frage an die befragten Briten aus dem Fragebogen ist schlicht: Wissen Sie, was Mikroplastik ist? Zur Verteidigung unserer Freunde von der Insel sei noch gesagt, dass im Englischen von „microbeads“ die Rede ist. Dieser Begriff ist sicher nicht so geläufig und lässt sich nicht einwandfrei ins Deutsche übersetzen. Gemeint ist aber das berüchtigte Mikroplastik, feinste Partikel, zu klein für Filter, aber da und wie jedes andere Plastik auch schwerst abbaubar. Und dieses Mikroplastik kennen immerhin 68 Prozent der Briten – nicht.

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Danach gab Greenpeace den Befragten eine Liste, was diese „microbeads“ denn sein könnten. Hier fanden nur 36 Prozent die richtige Antwort, etwa genauso bleiben bei ihrer ersten Antwort: keine Ahnung, was das sein soll.

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Greenpeace gibt dem interessierten Leser an dieser Stelle noch einen Funny Fact mit auf den Weg: Von den 16- bis 24-Jährigen gaben 9 Prozent an, „microbeads“ seien ein Sexspielzeug. Warum? Die haben das wohl mit „anal beads“ verwechselt. Was zwar auch einen Trend aufzeigt – aber das ist ein völlig anderes Thema, was hier keinen Platz hat.

Mikroplastik? Schlimmer geht nicht!

Danach die Frage zu Kaufgewohnheiten. Fast alle Briten kaufen Produkte, in denen Mikroplastik enthalten ist. Aber fast alle schauen sich auch nicht die Inhaltsstoffe an. Man möchte „shocking!“ rufen.

Funny Fact der zweite: Drei Prozent der befragten Männer und sechs Prozent aller Londoner gaben an, noch nie Zahnpasta gekauft zu haben. Noch ein Trendthema?

Jetzt wird es interessant. Denn an dieser Stelle werden die Teilnehmer über Mikroplastik „aufgeklärt“. Ihnen wird ein Text präsentiert, der milde gesagt tendenziös formuliert ist. Mikroplastik ist demnach so etwas wie CO2. Nur für die Meere. Und sehr viel schlimmer.

Den Befragten werden Fakten vorgesetzt, die sie so hinnehmen müssen. So könnte es 2050 in den Weltmeeren mehr Mikroplastik als Fische geben. In absoluten Zahlen oder in Masse? Keine Ahnung. Auf jeden Fall ganz schlimm! Bis zu (!) eine Million Mal schädlicher als das Wasser, in dem es schwimmt.

Dann die Frage: Wo Sie das jetzt wissen, würden Sie ein Produkt kaufen, das Mikroplastik enthält? 40 Prozent der Befragten schließen das jetzt komplett aus, weitere 24 Prozent würden nur zu solchen Produkten greifen, wenn es keine Alternative gäbe.

Höhepunkt der Studie

Zum Schluss fragt Greenpeace noch einmal, wie die Konsumenten auf umweltschädigendes Verhalten von Unternehmen reagieren würden. Hart, um es milde zu sagen. Warum Firmen wie ExxonMobil oder BP trotz der sehr konsequenten, umweltbewussten Masse der Konsumenten weiter Rekordgewinne einstreichen, beantwortet die Studie nicht.

Die letzte Frage ist quasi der Todesstoß. „US-Präsident Obama hat kürzlich Mikroplastik in seinem Land verboten. Soll David Cameron auch in Großbritannien ein solches Verbot verkünden?“ Die Antwortmöglichkeiten: Ja, definitiv; Ja, möglicherweise; Nein.

Dass den Befragten suggeriert wird, ein solches Verbot wäre per Fingerschnipsen eines David Cameron eingeführt, sei hier einmal geschenkt. Greenpeace rechnet aber natürlich die beiden Ja-Varianten zusammen und voilá: 90 Prozent der Briten wollen Mikroplastik verbieten lassen.

Was zu beweisen war: Wie man eine Umfrage und die Befragten mittels Fragen und mangelhafter Informationen so steuert, dass einem das Ergebnis passt. Greenpeace Edition.

Greenpeace’ Aktion nützt niemandem

Zum Schluss noch eine Richtigstellung: Der Autor dieses Textes will in keinster Weise Mikroplastik gutreden. Ginge es nach ihm, würde es sofort komplett verboten, zusammen mit einem Großteil allen anderen Plastiks. Allerdings sollte eine solche Diskussion – wie jede Diskussion! – anhand halbwegs gesicherter Fakten geführt werden.

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Was Greenpeace mit seiner Umfrage macht, nützt aber niemandem. Die Befragten werden im Laufe des Interviews in eine bestimmte Richtung gedrängt. Sie erfahren nicht, wieso und wo Mikroplastik denn eingesetzt wurde und wird; wie Alternativen aussehen, was ein Leben ohne Mikroplastik für konkrete Auswirkungen für sie haben würde; welche Arten von Mikroplastik denn die Meere verschmutzen.

Folgendes ist natürlich reine Spekulation: Aber sobald Menschen auf die lieben Dinge des Alltags verzichten müssen, ist es mit Umweltschutz nicht mehr ganz so weit her. Denn wer Mikroplastik wirksam einschränken will, müsste zuallererst Reifen und Schuhe verbieten, wie eine Untersuchung des dänischen Umweltministeriums zeigt. Und wer will schon auf Reifen verzichten, wenn er zudem noch ohne Schuhe laufen müsste.

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