Indoor Farming

Löst Urban Farming die Landwirte ab?

Lesezeit:
3 minuten

23 May 2016

Titelbild: Inter IKEA Systems B.V. 2016

Mit Indoor Farming kann jeder seinen Salat anbauen – in der Wohnung, ohne Erde und Wasser

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23 May 2016
Selbst gezogenes Obst und Gemüse – davon träumen viele Menschen. Nun ist es durch neue Technologien möglich, Pflanzen auch ohne Sonnenlicht und Humus in den eigenen vier Wänden anzubauen. Brauchen wir bald keine traditionelle Landwirtschaft mehr?

Selten war die Sehnsucht nach selbst angebauten Bio-Lebensmitteln größer – auch bei Städtern. Bislang hatte allerdings längst nicht jeder Wohnungsbewohner die Möglichkeit, Grünes zu ziehen. In Berlin etwa muss man zurzeit rund vier Jahre auf eine Parzelle in einer Kleingartenanlage warten. Viele, die draußen kein Beet ergattert haben, weichen deshalb auf die eigenen vier Wände aus: Sechs von zehn Bewohnern verschiedener Metropolen weltweit ziehen bereits zu Hause Pflanzen auf – zu dem Ergebnis kam eine große Ikea-Befragung zum Wohnen. Und von den übrigen 40 Prozent würde die Hälfte gerne etwas anbauen – hätten sie nur mehr Platz. Denn das meiste Grün wird immer noch auf dem Balkon angebaut.

Das aber könnte sich nun bald ändern. Denn mit modernen Technologien sind inzwischen für die Aufzucht von Pflanzen weder Erde noch Sonne nötig. Das Beet kann ebensogut in das Wohnzimmer verlagert werden. Möglich macht das ein neues Wundermittel: Hydroponik heißt es. Statt Boden sorgt hier eine mit Düngern und Mineralien angereicherte Wasserschicht für die Versorgung der Pflanzen. Die Sonne ersetzen LED-Lampen. Und noch einen Vorteil hat die neue Anbautechnik: die „Beete“ lassen sich in Kästen übereinander stapeln und sparen damit Platz.

Selbstversorgung für Städte

Nicht nur Hobby-Gärtnern eröffnet die Innovation ganz neue Möglichkeiten. Auch bei Restaurants und Supermärkten sind frisch gepflückte Lebensmittel begehrt – denn mit der neuen Anbauweise lassen sich neben regionalen Sorten auch exotische Früchte züchten, die sonst lange Transportwege zurücklegen müssen.

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Eines der führenden Unternehmen für die Herstellung von Hydroponik-Anlagen ist in Deutschland Infarm. Das 2013 gegründete Start-up hat ehrgeizige Pläne. „Wir haben die Vision, dass sich Städte bald selbst mit Lebensmitteln versorgen. Mit unserer Technologie kann man vertikale Farmen in Restaurants, Hotels, Co-Working-Räumen, Krankenhäusern oder sogar zu Hause bauen und dabei genauso effizient sein wie mit Treibhäusern“, sagt Erez Galonska, einer der Gründer von Infarm.

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Nur wie umweltfreundlich ist überhaupt der selbst gezogene Salat, wenn er Energie für Beleuchtung und Wärme benötigt? Infarms Anlagen sind eigenen Angaben zufolge nachhaltiger als einiges, was im Supermarkt angeboten wird: „Nach Studien, die von spanischen und portugiesischen Universitäten durchgeführt wurden, beträgt der CO2-Fußabdruck eines typischen importierten Salatkopfes aus Spanien 1,5-3,7 Kilogramm. Der Footprint eines Salatkopfes von Infarm beträgt hingegen nur 0,350 Kilogramm“, sagt die Pressesprecherin von Infarm Shani Leiderman.

Nur regional, saisonal und bio ist besser

Das ökologische, regional angebaute und saisonale Gemüse und Obst weist zwar noch niedrigere Werte vor. Aber wenn nur einer dieser Parameter fehlt, wird der CO2-Fußabdruck um einiges verschlechtert. Beim Wasser- und Düngerverbrauch ist Vertical Farming indes der eindeutige Gewinner gegenüber allen Methoden – und bietet eine bessere Alternative zur konventionellen Landwirtschaft.

Galonska bezeichnet das Indoor Farming sogar als die Strategie der Zukunft, um die Menschheit zu ernähren: „2050 wird die Weltbevölkerung von 7 auf 9 Milliarden Menschen wachsen, wovon 86 Prozent in Städten leben werden. Um sie zu ernähren, brauchen wir viel mehr Ackerflächen als wir zur Verfügung haben“, sagt Galonska. Ähnlich sieht es auch Googles Zukunfts-Stratege Ray Kurzweil, der bereits vor zwei Jahren prophezeit hat, dass die 2020er Jahre eine Dekade der Revolution der vertikalen Landwirtschaft sein werden.

Bis dahin will Infarm schon die Mikrofarmen in den Alltag integriert haben. Den Anfang machte im März ein Großmarkt: In einer Metro-Filiale in Berlin wächst seit März ein Kräutergarten von Infarm, weitere Kooperationen sind in Planung. Die „Gärten“ lassen sich per App steuern und werden entsprechend der Supermarktgröße und der Nachfrage entwickelt.

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Jeder kann Farmer werden

Das Unternehmen beliefert zudem Konzerne wie Mercedes, Olympus oder Airbnb und bietet Workshops zum Indoor Farming an. Und auch der Möbelriese Ikea zählt zu den Kunden. Ab Ende Mai 2016 wird er einen eigenen Indoor-Garten im Sortiment haben.

Mitgeliefert wird die komplette Ausrüstung, die für den Wohnzimmer-Garten notwendig ist: hydroponische Kästen, Samen, LED-Leuchten. Das kleinste Set mit acht Töpfen gibt es für 85 Euro. Das Größte besteht aus 45 Töpfen und drei Etagen. Die Kollektion ist vor allem für Kräuter- und Salatsorten gedacht, mit den größeren Kits kann man aber auch Gemüse wie Tomaten oder Zucchini anbauen, erläutert Ikea-Pressesprecherin Nathalie Biallas. Je nach Haushaltsgröße und Verbrauch sei es mit den Farming-Kits durchaus möglich, sich selbst zu versorgen. Bis das Essen verzehrfertig ist, vergehe außerdem weniger Zeit als bei der Aufzucht in der Erde. Und auch pädagogisch soll das Indoor Farming wertvoll sein, betont Biallas. Eltern könnten so bei ihren Kindern ein besseres Bewusstsein dafür schaffen, wo die Lebensmittel herkommen: Aus dem eigenen Blumentopf.

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