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Anja Dilk, Christiane Langrock-Kögel
Zukunft der Landwirtschaft
Anders ackern: Der Bauer
Lesezeit:
2 minuten
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2 November 2018
Titelbild: Illustration Danzil Raines via flickr
Selbstfahrende Traktoren gehören zur Zukunft der Landwirtschaft – auf Bauern wird man aber auch 2030 nicht verzichten können
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2 November 2018
Wie kann Landwirtschaft im Jahr 2030 aussehen? Wir haben ein Szenario mit fünf Akteuren entwickelt. Den Anfang macht Landwirt Ansgar Sievert
Es sind diese kleinen Momente im Sonnenaufgang, die Ansgar Sievert so liebt. Wenn der Bauer im badenwürttembergischen Kraichgau dann zu seinen Kontrollfahrten zu den Feldern hinter dem Dorf aufbricht, hört er schon das leise Summen seiner Roboterarmee, die aus ihren Park boxen am Ackerrand ausschwärmt. Mit kleinen Greifarmen zieht die automatische Unkrautpolizei Kamille und Distel aus dem Erdreich zwischen den Weizenstängeln, checkt im Zweifelsfall via Bildanalyse Blattkonturen und Wuchsform – was ist Unkraut, was kann bleiben? Nach ihr macht sich eine mechanische Hackmannschaft ans Werk, kaum größer als Mähroboter aus dem Baumarkt. Reihe für Reihe fährt sie die Furchen ab.
Reinstechen, umheben, auflockern, eine uralte Methode, um Stickstoff in den Boden zu bringen, das Frühstück für die Ackerpflanzen. Bauer Sievert schaut auf sein Tablet und nickt zufrieden. Die Methode spart gewaltig Dünger. Und wenn einige Weizenpflanzen doch noch ein paar Körnchen künstlichen Nachschlag brauchen, meldet ihm das die Ackersoftware, die sämtliche Daten aus seinem Fuhrpark digitaler Kleingeräte bündelt und auswertet. Von den kniehohen Feldrobotern bis zu den Drohnen, die GPS-gesteuert über das Feld surren.
Ein Warnlicht blinkt auf Sieverts Tablet. Der Landwirt grinst. Wusste er es doch, ohne ihn geht es nicht, auch im Jahr 2030 nicht. Bei Ackerroboter 3 ist der Sensor verdreckt, Sievert muss ran. Der Traum von der vollautomatisierten Landwirtschaft war nur ein schneidiger PR-Gag der Hersteller. Aber seine Roboter sind wunderbare Assistenten, viel besser als jene hausgroßen Landmaschinen, die vor zehn Jahren die Böden verdichteten. Nur eines macht Sievert Sorgen: Was stellen die Ackersoftwarehersteller, große Monopolisten, mit seinen Daten an?
Bauern brauchen 2030 biologisches Know-how und IT-Wissen
Der Timer auf Sieverts Handy klingelt. Gleich hat er ein Vorstellungsgespräch, er braucht dringend Personal. Das ist nicht leicht zu bekommen, denn wer heute noch in der Landwirtschaft arbeiten möchte, braucht beides: biologisches Know-how und IT-Wissen. Bauern müssen digitale Geräte managen – und sich mit vielen Kulturpflanzen auskennen. Die Frucht folgenerweiterung ist nun gesetzlich vorgeschrieben: Statt bloß Weizen und Raps heißt es heute Mais, Gerste und Weizen mit Erbsen, Lupinen und Hafer wechseln. Und auch Wei devieh in die Fruchtfolge einbeziehen. Um so viel Wissen zu versammeln, ist ein Absolvent der neuen interdisziplinären KombiStudiengänge ideal. Und es braucht, glaubt Sievert, einen großen Betrieb oder Betriebsgemeinschaften, die genug Geld erwirtschaften, um in die neuen digitalen Techniken in vestieren zu können. Bei ihm arbeiten knapp 80 Angestellte.
Kollege Lafrenz nebenan hat einen anderen Weg gewählt. Er betreibt seinen Hof nebenberuflich, so federt er sein wirtschaftliches Risiko ab. Schon 2018 gab es 30 Prozent Nebenerwerbsbauern, heute sind es mehr als 40 Prozent. Sievert schüttelt den Kopf. „Nichts für mich.“ Er ist Vollblutbauer. Auch wenn die Wildwestzeit bald vorbei sein könnte. Schon jetzt tuckern die Trecker nicht mehr, sondern rollen elektrisch be trieben dahin. Bald schon könnten sie alleine über die Felder steuern. Technisch kein Thema, rechtlich schon. Was, wenn der selbstfahrende Traktor über den Feldrand schießt? Der Streit ist auch 2030 nicht gelöst. So schwingt sich Bauer Sievert zur Erntezeit auf den Traktor und rollt über seine Felder. Manchmal lehnt er sich zurück, nimmt einen Schluck Kaffee aus der Thermoskanne und lässt die Augen über das Korn streifen. Steuern muss er schon längst nicht mehr.