Pilotprojekt für Lastenräder
Gewerbe auf zwei Rädern
2 minuten
7 April 2017
Titelbild: AMB-Cycles
Gerade bei Unternehmen, deren Mitarbeiter nur wenig Werkzeug, Waren oder Equipment brauchen, spielen Lastenräder ihre Stärken aus
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7 April 2017
Was haben ein Tischler, Schornsteinfeger, Imker, Glaser, Schlüsseldienst, Fitnessstudio, Pflegedienst, Gebäudereiniger und Autohaus gemeinsam? Ganz einfach: Lastenräder. Ja, auch das Autohaus. Aber dazu später noch mehr.
Fangen wir erst einmal am Anfang an: „Die Straßen sind nicht mehr nutzbar für die Autos selbst. Die blockieren sich alle schon gegenseitig, gerade im Wirtschafts- und Lieferverkehr“, beschreibt Cora Geißler das Problem. Geißler arbeitet eigentlich für die AMB-Cycles, einem Berliner Fachhändler für Lastenräder der dänischen Marke Bullitt.
Mittlerweile ist Geißler aber auch Projektleiterin von Velogut. „Wir haben gesehen, dass im Gewerbe das Interesse an Lastenrädern immer größer wird. Wir wollten den Erfolg der Kampagne ‚Ich ersetze ein Auto‘ – die bei Kurieren und Messengern erfolgreich war – auf den Wirtschaftsverkehr übertragen.“ Daher können sich Berliner Unternehmen seit Kurzem bei Velogut bewerben, um Lastenräder für den gewerblichen Verkehr zu testen – bis zu drei Monate, völlig kostenlos.
Das Projekt erhält vom Bundesumweltministerium eine Förderung für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit, die Lastenräder und technischen Support stellt AMB-Cycles. Velogut will so in eineinhalb Jahren mit 30 Lastenrädern 150 Unternehmen erreichen. „Es ist ein Feldversuch um zu schauen, welche Firmen sich eine Umstellung vorstellen können und wo es wirklich sinnvoll ist“, erklärt Geißler.
Dadurch erklärt sich das bunte Feld an Testern: „Lastenräder eignen sich grundsätzlich für alle, die für bestimmte Einsätze eine reduzierte Menge an Werkzeug, Waren und Equipment mit sich führen können.“ Solche Firmen sind auch die ersten, die sich die Räder ausleihen werden: Schornsteinfeger, Handwerker, Imker, Schlüsseldienste, Pflegedienste oder Gebäudereiniger. Besonders interessant sind da natürlich Betriebe, die viel auf Autos setzen und bei denen man Lastenräder zuerst nicht wirklich vermutet.
Velogut-Lastenräder als Ergänzung im Wirtschaftsverkehr
Deswegen sei das eingangs erwähnte Autohaus als Tester auch gesetzt. Hier wolle man Werkstattkunden, die einen Ersatzwagen bekommen, das Lastenrad als Alternative anbieten. Ein Fitnessstudio wolle mit den Rädern Kursmaterial in den Park transportieren, Pflegediensten könnten beispielsweise Einkäufe schneller erledigen. Genauso könne es sich, so Geißler, für Kommunen, größere Wirtschaftsunternehmen oder auch einen Tierpark lohnen.
Will Velogut also Autos aus dem Wirtschaftsverkehr verbannen? Das verneint Geißler sofort, man sehe Lastenräder eher als Ergänzung. „Zu glauben, wir könnten im Gewerbe Autos komplett aus der Stadt verbannen, ist naiv. Uns geht es darum zu schauen, wann das Auto sinnlos eingesetzt wird.“ Wenn an einer Ampel dutzende Autos mit nur einer Person ohne nennenswerte Ladung stünden, sei das einfach ein sinnloser Aufwand von Ressourcen.
Man wolle die positiven Aspekte der Lastenräder hervorheben und sich nicht auf die negativen Aspekte des Autos konzentrieren. „Für die Unternehmen soll es eine Vernunftsentscheidung sein, auf ein Lastenrad umzusteigen“, erklärt es Geißler. So könne man mit E-Lastenrädern – die die Hälfte der Velogut-Testflotte ausmachen – Touren perfekt planen, da es praktisch keine Verzögerungen gibt, keinen Stau, keine aufwendige Parkplatzsuche.
Und auch was die Infrastruktur angeht, zeigt sich das Team von Velogut zufrieden: Mit der neuen rot-rot-grünen Regierung in Berlin und Geldern in zweistelliger Millionenhöhe erfahre das Thema Fahrrad immer mehr Aufmerksamkeit. Wobei – eine Sache gibt es doch, die Geißler und ihre Kollegen umtreibt, die sie sich wünschen: sichere Parkmöglichkeiten. So sehr viel anders als Autos sind Lastenräder dann nämlich doch nicht.