Aufgeklärt

Alles zu Müllverbrennung – und praktische Tipps für den Alltag

Lesezeit:
4 minuten

14 October 2014

Titelbild: Alina Grubnyak/Unsplash

In unser Serie zum Thema Müll in Deutschland klären wir die häufigsten Fragen zu Abfall und Recycling. Dieses Mal geht es vor allem um Müllverbrennung

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4 minuten

14 October 2014
Müllmythen auf dem Prüfstand: Wir klären die häufigsten Fragen zu Abfall und Recycling. Hier versuchen wir einige wichtige zu klären – und geben praktische Tipps für den Alltag

Ist Müllverbrennung unökologisch?

Nicht perse. Hier muss stark differenziert werden. Zum einen gibt es bislang Abfälle, die sich sehr schlecht recyceln lassen, wie etwa Verpackungen aus Verbundstoffen, aber auch besonders giftige Abfälle. Auch gelten inzwischen strenge Auflagen was die Rauchgasfilterung angeht. Zudem werden aus der entstehenden Asche ebenfalls Wertstoffe, wie zum Beispiel Metalle, zurückgewonnen werden; die aufbereitetete Schlacke wird oftmals im Straßenbau eingesetzt.

Zum anderen tragen Müllverbrennungsanlagen (MVA) zur Energieversorgung bei. Klärschlämme werden zum Beispiel oft als Ersatzbrennstoff verwendt. Auf diese Weise spart die Verbrennung von Abfällen fossile Kraftstoffe ein. Die Müllverbrenner verstehen sich gar ganz selbstverständlich als Teil der Energiewende. Tatsächlich gelten Abfallverbrennungsanlagen als EEG-(Erneuerbare-Energien-Gesetz)-Anlagen, allerdings ohne Anspruch auf Vergütung. Für den Strom aus dem Biomasseanteil des Mülls können sich MVA-Betreiber aber vom Umweltbundesamt bestätigen lassen, dass eine bestimmte Menge des Stroms aus erneuerbaren Energien hergestellt wurde.

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Allerdings ist die Energiegewinnung der Anlagen oft recht ineffizient. Immerhin ein Fünftel des bundesweiten Anlagenparks ist älter als dreißig Jahre. Bei einem Viertel der Anlagen ist eine zusätzliche Ausbeute der entstehenden Wärme nicht möglich, weil kein Fernwärmenetz existiert, in das die Anlage einspeisen könnte.

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Die Müllverbrennung reduziert die Menge des Abfalls, der deponiert werden muss. Nichtsdestotrotz entsteht natürlich bei jeder Verbrennung eine erhebliche Menge Asche und Schlacke, die auf die Deponie gebracht werden muss. Der rasante Flächenverbrauch in Deutschland ist ohnehin schon ein großes Problem, daher kann Deponierung nicht als umweltfreundlich gelten. Die EU plant, die Deponierung mittelfristig für alle Gemeinschaftsstaaten zu verbieten. Fakt ist aber auch: einige EU-Länder haben bislang eine so rudimentäre Abfallwirtschaft, dass eine effiziente Müllverbrennung den Status Quo erheblich verbessern würde.

Allergrößtes Problem der Müllverbrennung in Deutschland ist allerdings, das mit den derzeit rund 70 MVA mehr Anlagen existieren als Bedarf vorhanden ist. Deswegen machen sich die Betreiber untereinander massive Konkurrenz. Um die teuren Kraftwerke auszulasten, unterbieten sich die Anbieter gegenseitig bei den Verbrennungspreisen. Weil die so niedrig sind, geht ein wesentlicher Anreiz verloren, möglichst viele Rohstoffe aus dem Abfall herauszuholen und zu verwerten. Wertvolle Rohstoffe wie Plastik, aber auch Altholz, Papier und Pappe lösen sich auf diese Weise im wahrsten Sinne des Wortes in Rauch auf.

Ich habe keine Möglichkeit Biomüll zu trennen. Ist das schlimm?

Damit sind Sie nicht allein. Fakt ist: Bislang verfügen nur etwa die Hälfte der deutschen Bürger über die Möglichkeit Bioabfälle getrennt zu entsorgen. Viele Experten halten es für falsch, dass immer noch so viel Biomüll im Restmüll landet und verbrannt wird. Denn aus den organischen Abfälle könnte stattdessen wertvoller Kompost entstehen, oder der Biomüll könnte zu energiereichem Methan vergärt werden und in einem Blockheizkraftwerk zum Einsatz kommen. Über den ökologischsten Verwertungsweg streiten die Ökobilanzierer seit Jahren. Der Gesetzgeber will nun die Biomüll-Recyclinquote steigern. Ab 2015 wird die Biotonne verpflichtend eingeführt, obwohl die braune Tonne wegen der Geruchsentwicklung nicht überall beliebt ist. Die Hoffnung ist, damit das Recycling insgesamt zu verbessern. Denn viele Wertstoffe lassen sich besser recyceln, wenn sie nicht zuvor mit feuchtem Biomüll vermischt wurde.

Ist es wahr, dass Deutschland Müll importiert?

Ja, das ist wahr. Weil bei der Müllverbrennung Überkapazitäten existieren, werden tatsächlich Abfälle nach Deutschland importiert. Im Jahr 2010 lag die Menge nach Angaben der Interessengemeinschaft der Thermischen Abfallbehandlungsanlagen (ITAD) noch bei 402.000 Tonnen; zwei Jahre später waren es bereits 736.000 Tonnen.

„Müll muss mobiler werden“, fordert ein Verband sogar. Sein Argument: Deutschland verfügt im internationalen Vergleich über sehr effiziente MVA, gleichzeitig werden in Europa jährlich rund 90 Millionen Tonnen Abfall gänzlich unbehandelt auf Deponien gebracht. Deponieplatz wird knapp; zudem ist die Deponierung sehr umwelt– und klimaunfreundlich. Stattdessen könnte man in Deutschland Energie und Rohstoffe daraus gewinnen, so der Gedankengang der deutschen Müllverbrenner. Die EU verfolgt allerdings eher das Ziel, in den einzelnen Ländern eine effiziente Abfallwirtschaft aufzubauen.

Recyceln lohnt sich nicht, weil das sehr viel Energie kostet, richtig?

Ja, auch Recyclingprozesse benötigen Energie, aber weniger als bei der Neuproduktion. Beispiel Glas: Glas lässt sich beliebig oft wieder einschmelzen. Da recyceltes Glas bei niedrigeren Temperaturen als die zur Glasherstellung erforderlichen Rohstoffe schmilzt, sinkt der Energiebedarf, wenn Glasscherben zugesetzt werden. Gleichzeitig werden Rohstoffe wie Quarzsand, Soda und Kalk eingespart. Laut Umweltbundesamt verringert sich pro 10 Prozent Scherbeneinsatz die Schmelzenergie um 3 Prozent. Da im Durchschnitt bereits heute jede Flasche aus rund 60 Prozent Altglasscherben besteht, wird bis zu 20 Prozent weniger Energie benötigt. Je sortenreiner die gesammelten Glasfarben, desto mehr Altglas kann in der Neuproduktion eingesetzt werden. Bei farblichen „Verunreinigungen“ entstehen ansonsten Zwischentöne, die sich nicht verkaufen lassen.

Beispiel Papier: Altpapier ist in Deutschland inzwischen der wichtigste Rohstoff zur Papierherstellung; die so genannte Altpapiereinsatzquote liegt bei 68 Prozent. Rund 20 Prozent der Papierfasern müssen allerdings bei jedem Recyclingvorgang aus dem Faserbrei entfernt und durch frische Fasern ersetzt werden. Statistisch gesehen kann man Papier damit etwa fünfmal wiederverwerten. Laut der Initiative „Pro Recyclingpapier“ beträgt der Wasserverbrauch bei Recyclingpapier nur ein Siebtel, der Energiebedarf die Hälfte im Vergleich zur Herstellung von holzfreiem Primärfaserpapier. Insgesamt ist die Papierherstellung aber sehr energieintensiv. Es gilt also: Think before you print – auch wenn es sich um Recyclingpapier handelt.

Beispiel Kunststoffe: Bei der rohstofflichen Verwertung werden die Kunststoffe chemisch oder thermisch aufgespalten, so dass Erdöl entsteht. Daraus lässt sich wieder Kunststoff produzieren. Beim erneuten Herstellungsprozess wird allerdings etwa die Hälfte des Erdöls als Energie verbraucht. In den allermeisten Fällen ist das Recyceln von Kunststoffen dennoch deutlich klimafreundlicher als das Verbrennen, stellen verschiedene Studien übereinstimmend fest – obwohl die Aufbereitung so viel Energie benötigt.

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Was kann ich tun?

Die Abfallhierarchie des Kreislaufwirtschaftsgesetz beschreibt es eigentlich sehr gut: Vermeiden vor Recyceln vor Entsorgen. Streng genommen versteht man unter Recycling, dass ein Stoff ohne neuen Rohstoffeinsatz und ohne einen sehr hohen Verbrauch von Energie wieder genau zu dem Stoff wird, der er früher war. Kein Produkt lässt sich bislang aber wirklich zu 100 Prozent recyceln, manches gar nicht. Zudem benötigt jeder Recyclingprozess auch wieder Energie. Grundsätzlich gilt also:

  1. Produkte so lange wie möglich nutzen. Das gilt für Gebrauchsgegenstände genauso wie Kleidung; insbesondere aber für elektronische Geräte wie Handys, Tablets und Computer, deren Produktion viel Energie kostet, die schlecht zu recyceln sind und in denen sehr viele, auch seltene, Rohstoffe stecken.
  2. Mehrweg vor Einweg! Ökologisch, aber auch wirtschaftlich betrachtet ist die Ex– und Hopp–Mentalität bei der Nutzung von Ressourcen Wahnsinn.
  3. Fleißig weiter trennen. Unser Trennsystem mag nicht perfekt sein, aber es ist das Beste was wir haben. Der Weg auf den Wertstoffhof lohnt sich für die Umwelt in jedem Fall.
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