Wie funktioniert das Pfandsystem?

Ex und hopp

Lesezeit:
4 minuten

26 April 2015

Titelbild: Jonathan Chng

Glas oder Plastik? Einweg oder Mehrweg? Wir sorgen für Durchblick im Pfandsystem

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26 April 2015
Die Mehrwegflasche stirbt aus – auch, weil kaum einer im Pfandsystem durchblickt. Ein Aufklärungsversuch

Anfang des Jahres verkündete Coca-Cola, sich schrittweise von der Mehrwegflasche aus Plastik verabschieden zu wollen. Der weltgrößte Hersteller von Softdrinks will seine Brausen fortan in Flaschen füllen, die nur ein Mal benutzt und dann entsorgt werden. Zu oft würden Mehrwegflaschen nicht am selben Ort gekauft und wieder abgegeben. Das teure Einsammeln und Transportieren von Leergut will Coca-Cola künftig vermeiden und somit Lagerflächen für Mehrwegflaschen und Geld einsparen.

Auch wenn es vorerst nur die 0,5- und 1,5-Liter-Flaschen betrifft: Umweltorganisationen befürchten, dass die Entscheidung von Coca-Cola einen Trend beschleunigt: das Ende des Mehrwegsystems zugunsten des Einwegsystems.

Um das Mehrwegsystem zu stützen, hatte die Bundesregierung 2003 das Pfand für Einwegverpackungen eingeführt. Drei Jahre später modifizierte sie es noch einmal, doch der Erfolg blieb aus. Wurden vor der Einführung des Pfands noch 64 Prozent aller verkauften Flaschen wiederbefüllt, waren es 2012 nur noch 45,7 Prozent. Mineralwasser geht inzwischen sogar zu 70 Prozent in Wegwerfflaschen über die Ladentheke. Insgesamt benutzen wir rund drei Viertel aller Verpackungen von Erfrischungsgetränken nur ein einziges Mal.

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Discounter wie Aldi oder Lidl verkaufen erst gar keine Mehrwegflaschen mehr. So sparen sie Lagerfläche, denn die Einwegflaschen können sie direkt nach der Rücknahme schreddern und die Schnipsel als Recyclingmaterial verkaufen. Auch Tankstellen profitieren von der Einwegschwemme: Weil die mobilen Kunden Flaschen oft nicht zurückgegeben, bleibt das Pfandgeld in der Kasse – und läppert sich insgesamt zu einem Millionengewinn.

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Was unterscheidet Einweg- und Mehrwegflaschen?

In Deutschland gibt es bereits seit 1990 ein Mehrwegsystem mit Pfand. Seit Einführung des Pfands für Einwegflaschen vor 12 Jahren konkurrieren beide Systeme – den Unterschied aber kennt jeder zweite Bundesbürger nicht. Das ergab eine aktuelle Umfrage im Auftrag des Arbeitskreises Mehrweg, dem Vertreter aus Getränkeindustrie und Umweltschutz angehören.

Äußerlich ist kaum ersichtlich, ob Pfandflaschen dem Einweg- oder Mehrwegsystem zugehörig sind. Auf einen Entwurf für eine verbindliche Kennzeichnung der Produkte konnten sich Bund und Länder nämlich bislang nicht einigen.

Was die Sache für die Verbraucher noch komplizierter macht: Es hängt nicht nur vom Gefäß, sondern auch vom Inhalt ab, ob Pfand anfällt oder nicht.

„Für Brausen in Plastikflaschen oder Dosen muss ich zum Beispiel Pfand bezahlen. Bei Prosecco, der in Dosen abgefüllt wird, zahle ich nichts dazu“, sagt Julia Barthel, Expertin für Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Auch Säfte, Milch, Wein und Spirituosen sind von der Pfandpflicht ausgenommen.

Ein Anhaltspunkt für Verbraucher im Pfand-Wirrwarr kann die Höhe der Gebühr sein. Flaschen, die mehrfach nachgefüllt werden, kosten relativ wenig: zwischen 8 und 15 Cent. Die Produzenten erheben den Aufpreis freiwillig, um die Flaschen zurückzubekommen. Getränkeverpackungen aus Plastik, Glas oder Alu, die laut deutscher Verpackungsverordnung als „ökologisch unvorteilhaft“ eingestuft sind, müssen dagegen per Gesetz 25 Cent kosten.

Sind Mehrwegflaschen tatsächlich besser für die Umwelt?

Eine Flasche, die mehrfach abgefüllt wird, schont im Vergleich zur Einwegflasche auf jeden Fall Ressourcen. Zwar wird immer wieder behauptet, die aufwendige Logistik im Mehrwegsystem und lange Transportwege würden die Umwelt stark belasten. Die Logistik ist in der Regel aber regional organisiert – das Argument mit den Transportwegen fällt also weg.

Dagegen werden Einwegflaschen meist zentral vertrieben und legen daher laut Julia Barthel von der DUH fast den doppelten Transportweg im Vergleich zu Mehrwegflaschen zurück.

Das Hauptargument gegen Einwegflaschen: Produktion und Entsorgung verbrauchen viel Energie. Ein Beispiel: Wird eine Einliter-Einwegflasche aus Plastik hergestellt, fallen rund 55 Gramm mehr CO2- Emissionen an, als wenn eine Glasflasche wiederbefüllt wird.

Ob Einweg- oder Mehrwegsystem: Wer leere Flaschen oder Dosen zurück in den Supermarkt oder Getränkehandel bringt, entlastet grundsätzlich die Umwelt. Hier hat das Pfand viel bewegt: 97 Prozent aller Pfandbehältnisse werden zurückgebracht und häufig zu neuen Flaschen recycelt.

Plastikflaschen ohne Pfand landen dagegen oft in der Gelben Tonne. Auch sie werden recycelt. Andere, minderwertige Kunststoffe etwa von Joghurtbechern senken dabei aber die Qualität. Das recycelte Material findet sich dann als Zusatz in Fleece-Pullovern, Fahrradrahmen oder Parkbänken.

Ist es schädlich, Plastikflaschen mehrfach zu nutzen?

Ob Plastikflaschen mehrfach wieder befüllt werden oder nicht, ändert nichts an ihren Eigenschaften, sagt Martin Wagner, Toxikologe am Institut für Ökologie der Universität Frankfurt. Grundsätzlich aber ließen sich die im Plastik enthaltenen Chemikalien im Getränk nachweisen. Wagner verglich in einer Studie Mineralwasser aus Glas- und Plastikflaschen im Hinblick auf chemische Rückstände und hormonähnliche Substanzen. Sein Ergebnis: Wasser in Plastikflaschen ist deutlich häufiger und höher belastet als in Glasflaschen.

„Glas wird unter höchsten Temperaturen geschmolzen. Anders als beim Plastik zerstört diese Hitze die meisten organischen Moleküle, die andernfalls in das Getränk übergehen könnten“, sagt Wagner.

Laut Bundesinstitut für Risikobewertung sind die Rückstände im Wasser aus Plastikflaschen nicht gesundheitsschädlich. Krebserregende Weichmacher oder hormonell wirksame Substanzen wie Bisphenol A seien nicht Bestandteil von Polyethylenterephthalat (PET), aus dem Plastikflaschen bestehen.

Toxikologe Wagner widerspricht: „Es gibt immer wieder Studien, die solche Substanzen in geringen Mengen aufspüren. Das Problem ist, dass die Verpackungshersteller oft selbst nicht wissen, welche Chemikalien in den verwendeten Materialien stecken.“ Zuletzt wies eine Untersuchung im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe Bisphenol A nach – in Getränkedosen.

Was ist umweltfreundlicher: Glas oder Plastik?

Das ist schwer zu sagen, weil die Umweltverträglichkeit von vielen Faktoren abhängt. Unter anderem spielt auch der Energieverbrauch bei Herstellung und Recycling oder in der Logistik eine Rolle. Das Umweltbundesamt empfiehlt grundsätzlich, regional abgefüllte Mehrwegflaschen zu kaufen – egal ob aus Plastik oder Glas. Beide lassen sich bis zu 50 Mal befüllen.

Bei weiten Strecken aber ist die Plastikflasche im Vorteil: Weil sie leichter ist, verbraucht ein beladender LKW weniger Kraftstoff und stößt weniger Emissionen aus.

Besonders schlecht in Sachen Umweltfreundlichkeit schneiden Glasflaschen ab, die nur einmal benutzt werden, wie bei Wein oder Spirituosen. Auch wenn sich Glas hochwertig recyceln lässt, der Energieaufwand bei der Herstellung ist immens: Glas besteht hauptsächlich aus den Rohstoffen Sand, Kalk und Soda, die erst bei Temperaturen von bis zu 1500 Grad Celsius schmelzen.

Auch die Dose hat eine schlechte Umweltbilanz: Ihre Herstellung ist sehr energieintensiv, das Recycling kompliziert. So enthält eine Weißblechdose laut der Ökobilanz des Dosenverbandes Beverage Can Makers Europe weniger als sechs Prozent Recyclingmaterial, Dosen aus Aluminium bestehen komplett aus neuem Rohstoff. Zum Vergleich: Bei Glasflaschen liegt der Recyclinganteil durchschnittlich bei 65 Prozent, bei PET-Flaschen je nach Art bei 15 bis 35 Prozent.

Warum wird kein Pfand auf Getränkekartons erhoben?

Weil die deutsche Verpackungsverordnung sie als „ökologisch vorteilhaft“ einstuft, sind Getränkekartons und -tüten aus Pappe, Plastik und Aluminium von der Pfandpflicht befreit. Grundlage für diese Einschätzung sind Studien des Umweltbundesamtes von vor rund 15 Jahren. Einer Zeit, in der man Getränkekartons noch an einer Spitze aufriss oder mit der Schere öffnete.

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„Heute hat so gut wie jeder Getränkekarton einen Kunststoffverschluss, der ihn schwerer macht und der außerdem aufwendiger in der Produktion ist“, sagt Gerhard Kotschik vom Umweltbundesamt.

Dass sich die Ökobilanz der Kartons in den vergangenen Jahren trotzdem nicht wesentlich verschlechtert hat, liegt am verbesserten Recycling. Laut Fachverband Kartonverpackungen für flüssige Nahrung, dem die drei größten Getränkekartonhersteller Tetra Pak, SIG und Elopak angehören, werden rund 71 Prozent der Verpackungen weiterverarbeitet. Die DUH jedoch schätzt die Quote auf lediglich 50 Prozent. Sie fordert, die Kartons neu zu bewerten – und auch diese eventuell mit der Pfandpflicht zu versehen.

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