Reto Ringger im Interview

„Jede Geldanlage hat eine Wirkung auf unsere Welt“

Lesezeit:
5 minuten

14 December 2018

Titelbild: Bernard Hermant/Unsplash

Reto Ringger ist überzeugt: „Jeder möchte doch mit dem, was er tut, einen positiven Fußabdruck hinterlassen.“ Deswegen nutzt sein Unternehmen den Footprint auch als Messgröße für nachhaltige Investments

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14 December 2018
Der Schweizer Unternehmer Reto Ringger schaffte vor 20 Jahren mit dem ersten nachhaltigen Aktienindex den Durchbruch für die grüne Geldanlage. Wie er heute die Perspektiven für gutes Geld und Vermögen sieht

Herr Ringger, Sie waren der Erste weltweit, der Geldanlage und Nachhaltigkeit miteinander kombiniert hat.

Es kommt wohl darauf an, wie man es definiert; aber so etwas wie den Sustainability Index, den mein Unternehmen SAM 1999 gemeinsam mit Dow Jones gestartet hat, gab es jedenfalls vorher noch nicht.

Wie ist das so, der Erste zu sein?

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Ich bin gerne an vorderster Front dabei, aber es hat natürlich Vor- und Nachteile. Der Vorteil: Man hat eine grüne Wiese vor sich, die noch niemand bearbeitet hat und kann sich unternehmerisch entfalten. Der Nachteil: Man muss einen „Markt“ neu aufbauen und allen erklären, was und warum man etwas tut, weil es vorher noch niemand gemacht hat.

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Reto Ringger

gründete 1995 in Zürich das Unternehmen SAM, das 1999 den ersten nachhaltigen Aktienindex der Welt veröffentlichte (Dow Jones Sustainability Index). Seit 2011 ist er Gründer und CEO der Globalance Bank in Zürich

Wen haben Sie als erstes überzeugt?

Unser erster Kunde war gleich ein Großinvestor – Swiss Re, die Schweizer Rückversicherung. Das war 1996 und damals wirklich ein Meilenstein, der uns bei der weiteren Entwicklung sehr geholfen. Aber der wohl entscheidende Schritt war, als wir die Firma Dow Jones überzeugen konnten, mit uns einen neuen, nachhaltigen Aktienindex aufzulegen. 1997 war Sustainable Investing noch sehr öko und für die meisten fremd. Eigentlich weit entfernt von Dow Jones, die ja unter anderem das konservative Wall Street Journal herausgeben. Dass Dow Jones ein derartig innovatives Projekt mit einer kleinen Schweizer Firma zusammen machte, haben wir nicht zuletzt den zwei Entscheidungsträgern bei Dow Jones zu verdanken: David Moran und John Prestbo, die sich für das Projekt begeisterten ließen.

Sie allein hätten das nicht hinbekommen?

Konzeptionell konnten wir das schon selber, aber die PR-Wirkung und der klingende Name von Dow Jones waren für den Erfolg und die Akzeptanz wohl matchentscheidend.

Also konnten Sie Ihre grüne Wiese genau so beackern, wie Sie sich das erhofft hatten?

Ja, aber das Resultat war komplett anders als wir erwartet hatten. Unsere Idee mit dem Index war, dass wir dem Finanzmarkt aufzeigen konnten, dass eine Firma, die sich nachhaltig ausrichtet, langfristig erfolgreicher sein müsste als andere – weil sie zukunftsfähiger ist. Der Finanzmarkt allerdings war zuerst nicht interessiert und ging immer noch von der These aus: Nachhaltigkeit erhöht die Kosten, schmälert die Gewinne und verringert damit die Erfolgsaussichten. Bis unsere Nachricht gehört wurde, sollten noch einige Jahre vergehen.

Also drohte ein Flop?

Nein, ganz im Gegenteil. Es geschah nämlich etwas, womit wir nicht gerechnet hatten: Die Unternehmen, die wir für unseren Index auf Nachhaltigkeit hin bewertet hatten, fanden das spannend. Sie haben sich stark für unser Konzept interessiert und zahlreiche Unternehmen nahmen mit uns Kontakt auf, um herauszufinden, was wir da genau messen, und mit welchen Kriterien. Die Firmen haben sich in einer Art und Weise mit diesem Index auseinandergesetzt, wie wir uns nicht im Traum hätten ausmalen können. Da gab es Unternehmen, die haben sogar ihr internes Bonus-System mit ihrem Ranking in unserem Index verknüpft!

Es ist ja jetzt fast ein Vierteljahrhundert her, dass Sie angefangen haben. Also eigentlich Zeit genug um die ursprüngliche These überprüfen zu können: Haben sich denn besonders nachhaltige Unternehmen langfristig erfolgreicher entwickelt als andere?

Grundsätzlich ja, aber es ist ein bisschen wie beim Klimawandel, wo ja auch einige noch behaupten, dass es ihn gar nicht gibt. Unter den zahlreichen Studien, die sich mit dem Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit und Unternehmenserfolg beschäftigen, stellen 80 Prozent eine positive Korrelation fest, 15 Prozent keinen Zusammenhang und 5 Prozent eine negative Korrelation.

Kommt wahrscheinlich auch drauf an, was man misst …

Man kann, wie zum Beispiel eine Studie der Harvard University, Maßzahlen für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen als Erfolgskriterium verwenden – oder, wie die meisten anderen Studien, die Entwicklung des Börsenwerts. Dann hängt es davon ab, welche Grösse von Unternehmen man einbezieht, welchen Untersuchungszeitraum man betrachtet oder welche Region man analysiert. Aber die Mehrheit der Studien belegen einen positiven Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit und Unternehmenserfolg. Und interessanterweise ist dieser Zusammenhang besonders stark in Asien. Da gibt es Studien, die besagen, dass Firmen, die in ihrer Unternehmensführung Themen wie ESG ernst nehmen, erfolgreicher sind als andere.

ESG?

ESG heißt übersetzt: Environment, Social und Governance. Daran orientieren sich immer mehr Investoren auf der ganzen Welt.

Was ja nicht das gleiche wie Sustainable ist, Ihr ursprünglicher Fokus. Ist das ein Wandel von einem kleinen, überschaubaren ökologischen Ansatz hin zu etwas Diverserem, in dem jeder das für sich Passende finden kann?

Da haben Sie Recht. Die Begriffsvielfalt und Verwirrung ist leider sehr groß und es ist ausgesprochen unübersichtlich geworden. Sogar die Anbieter selbst bringen die Begriffe durcheinander. Unter „Impact Investing“ beispielsweise werden völlig unterschiedliche Ansätze zusammengefasst – ein heilloses Durcheinander und für den Anleger extrem verwirrend.

Bei Ihrer neuen Gründung, der Globalance Bank, betreiben Sie eine Footprint-Analyse: Jede Aktie wird entsprechend des Footprints, den sie hinterlässt, auf einer Skala von 0 bis 100 bewertet …

Ja, wir messen nicht in erster Linie wie gut ein Unternehmen relativ zur Branche ist, sondern welchen absoluten Fußabdruck die Firma auf unserem Planeten hinterlässt. Eine Bewertung über 60 liegt im empfehlenswerten grünen Bereich, alles unter 30 im roten Bereich, den wir bei Investments nicht berücksichtigen.

Der Footprint ist rein auf ökologische Auswirkungen beschränkt. Ist das auch bei Ihnen so, oder haben Sie anderes darin eingeschmuggelt?

Nein, wir verstehen darunter die Wirkung eines Unternehmens auf die drei Bereiche Volkswirtschaft, Gesellschaft und Umwelt. Wir hatten schon überlegt, ob wir den Begriff Footprint ersetzen sollten, aber eigentlich ist es ein motivierender Begriff: Jeder möchte doch mit dem, was er tut, einen positiven Fußabdruck hinterlassen.

Ah, deshalb gilt bei Ihrem Footprint also: Je größer desto besser. Beim ökologischen Fußabdruck ist der Zusammenhang ja umgekehrt: Je größer der Fußabdruck ist, desto schlechter.

Das ist doch auch etwas Positives: Indem man einen höheren Wert erreicht, verbessert man sich und hat eine positive Wirkung auf unsere Welt. Wenn man es schafft, dass die Unternehmen im eigenen Portfolio von 65 in diesem Jahr auf 70 im nächsten Jahr kommen, ist das neben der finanziellen Rendite ein schöner Erfolg.

Kann man sich dann nicht einfach auf die besten Firmen überhaupt beschränken – die besten Fußabdrücke der Welt?

Natürlich könnte man das. Aber wenn man sein Vermögen nach Branchen, Regionen oder Technologien diversifizieren möchte, ist das nicht ganz einfach. Es ist daher unsere Aufgabe als spezialisierte Vermögensverwalter ein Portfolio zu erstellen, welches aus finanzieller Sicht, aber auch aus der Perspektive des Footprints eine positive Leistung erbringt.

Globalance war 2011 etwas Neues. Was ist das nächste Neue, das Sie brauchen, oder das die Branche braucht?

Ein großes Zukunftsthema ist sicherlich: Transparenz. Die Transparenz der Anlagen gegenüber dem Anleger ist noch sehr unterentwickelt. Jede Geldanlage hat eine Wirkung auf unsere Welt und eigentlich wäre es die Aufgabe der Bank, den Kunden darüber zu informieren. Unser Footprint ist ein erster guter Schritt, aber in diesem Bereich muss noch viel mehr möglich sein. Wir wollen gerade diese Thematik mit Innovationen und neuen Instrumenten für den Anleger weiterentwickeln.

Sie sind jetzt bei knapp einer Milliarde Schweizer Franken Anlagevolumen. Wie viele Milliarden wollen Sie noch?

Ja, wir wachsen überdurchschnittlich stark, aber ich rechne erst einmal nicht in Milliarden, sondern in begeisterten Kunden. Wenn wir gute Mitarbeiter anziehen und unsere Kunden begeistern können, kommen auch die Milliarden. Ich selber bin eher Macher und weniger der Manager von großen Einheiten. Wenn man einmal über 100 Mitarbeiter hat, dann wird man immer mehr zum Manager und das ist nicht unbedingt mein Ding.

Wie viele Mitarbeiter haben Sie jetzt?

Wir sind in Zürich und München zusammen nun knapp 30 Leute. Wobei wir seit der Gründung auch das Konzept des Outsourcing verfolgt haben. Wir müssen nicht alles selber machen, sondern konzentrieren uns auf die Bereiche Research, Investment und Kundenbetreuung. Als spezialisierter und kleinerer Anbieter müssen wir innovativer und schneller sein als die Großen im Markt.

Wovon dann nur diejenigen profitieren können, die sich ein Konto bei einer Schweizer Privatbank leisten können.

Nein, wir haben für kleinere Anlagesummen auch einen spannenden Fonds. Im Jahr 2017 haben wir einen Zukunftbeweger-Aktienfonds aufgelegt, bei dem jeder schon mit 100 Euro einsteigen kann, auch ohne ein Konto bei uns zu haben.

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Vermögen wird ja immer noch weitgehend in Geld gemessen und verwaltet. Können Sie sich vorstellen, auch einmal etwas anderes zu verwalten als Geld? Daten zum Beispiel?

Ja, unbedingt. Unsere Welt dematerialisiert sich zunehmend und Vermögen wird sich in Zukunft wahrscheinlich nicht nur in Geldeinheiten ausdrücken. Schon heute gibt es ja hunderte von Kryptowährungen und es wird in Zukunft andere Formen geben, die nicht monetär sind – etwa Bildungsvermögen, oder sogar Einfühlungsvermögen. Als „Vermögensverwalter“ ist unser Hauptjob, dass wir unsere Kunden in diese spannende Zukunft begleiten. Und die Zukunft verändert nicht nur die Rahmenbedingungen meiner Geldanlage, sondern auch diejenigen meiner Arbeit, meiner Ausbildung und meiner Kinder.

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