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Andreas Stückl , Hilmar Schneider
New Work
Funktioniert die 4-Tage-Woche?
Lesezeit:
3 minuten
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21 October 2016
Titelbild: Lee Key / unsplash
Was wäre eigentlich, wenn wir alle nur noch vier Tage in der Woche arbeiten würden?
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3 minuten
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21 October 2016
Was wäre eigentlich, wenn wir alle nur noch vier Tage in der Woche arbeiten würden? Ein Pro & Contra von Gründer Andreas Stückl und Ökonom Hilmar Schneider
Pro: Die 4-Tage-Woche funktioniert effizient
„Zuerst war es nur eine fixe Idee: Einer unserer Mitarbeiter hatte von einem Unternehmen in den USA gelesen, das die 4-Tage-Woche erfolgreich eingeführt hat. Zu diesem Zeitpunkt haben wir oft 60 oder 70 Stunden die Woche gearbeitet, wie es bei Gründern üblich ist. Aber natürlich fragt man sich irgendwann, ob das so sein muss. Wir haben dann beschlossen, die 4-Tage-Woche einfach mal auszuprobieren.
Zuvor haben wir alle Mitarbeiter gefragt, welche Sorgen sie sich machen: Wird es nicht stressiger, wenn alle Arbeit in vier Tagen gemacht werden muss? Was sagen die Kunden, wenn wir einen ganzen Tag nicht zu erreichen sind? Außerdem verdienen die Mitarbeiter ja weniger. Wir haben uns dann auf vier Tage zu je neun Stunden und auf eine sechswöchige Testphase geeinigt. Die Wochenarbeitszeit wurde also nur um 2,5 Stunden reduziert. Gleichzeitig haben wir alle Abläufe im Unternehmen überprüft. Welche Meetings können wir zum Beispiel streichen? Und wir haben die interne Kommunikation verbessert, jeder weiß jetzt, wer für was zuständig ist. Nach den sechs Wochen waren alle zufrieden.
Mittelfristig wollen wir versuchen, auf acht Stunden pro Tag zu kommen. Wir sind durch die 4-Tage-Woche nicht unproduktiver geworden. Im Gegenteil, wir sind effizienter. Die Arbeit, die wir machen, ist sehr kreativ: neue Produkte entwerfen, das richtige Marketing finden, unser Geschäftsmodell weiterentwickeln. Da ist es wichtig, dass man auch mal Abstand gewinnt. So haben wir bessere Ideen in kürzerer Zeit. Ich glaube nicht, dass die Einführung der 4-Tage-Woche der Volkswirtschaft schaden würde: Es gibt so viele Menschen, die durch ihre Arbeit krank werden. Mit einer 4-Tage-Woche wäre das sicherlich anders. Aus meiner Erfahrung kann ich daher klar sagen: Dass mehr Arbeit immer besser ist, ist ein Irrglaube.“
Andreas Stückl ist Mitgründer des Unternehmens Bike Citizens, das eine Navigations-App für Radfahrer vertreibt www.bikecitizens.net
Contra: Die 4-Tage-Woche kann teuer werden
„Dass man in vier Tagen genauso viel erledigen kann wie in fünf, halte ich für einen Mythos. Die Menschen verplempern ihre Zeit bei der Arbeit ja nicht einfach. Im Gegenteil: Wir haben schon jetzt in den meisten Betrieben eine sehr enge Taktung, die einzelnen Arbeitsschritte sind optimal abgestimmt. Unternehmen suchen ständig nach Möglichkeiten, um effizienter zu werden. Wer weniger arbeitet, wird also weniger Umsatz machen, weniger Kunden erreichen, langsamer wachsen. Oder: Wenn in einer Firma alle nur vier Tage arbeiten, braucht man mehr Mitarbeiter, um auf die gleiche Leistung zu kommen.
Das kann ziemlich teuer werden: Firmen müssen neue Mitarbeiter einarbeiten, haben höhere Kosten in der Verwaltung und müssen womöglich zusätzliche Arbeitsplätze ausstatten. Das größte Problem aber hätten jene Unternehmen, die schon jetzt kaum Fachkräfte finden. Arbeitskräfte waren in Deutschland selten so knapp wie heute. Ohne Zuwanderung würde die Zahl der Menschen in erwerbsfähigem Alter von 54 Millionen auf 31 Millionen im Jahr 2060 sinken. Und selbst Zuwanderung hält diesen Rückgang nur in Maßen auf. Aus meiner Sicht ist es daher höchst unsinnig, die Arbeitszeit künstlich zu verringern.
Wollen wir unseren Lebensstandard halten, brauchen wir rein rechnerisch künftig sogar eine höhere Pro-Kopf-Arbeitszeit. Wir müssten dafür im Jahr 2050 bis zu 1700 Stunden pro Jahr arbeiten – heute sind es 1400 Stunden. Das klingt nach viel, aber Japaner und Amerikaner machen das heute schon so. Ich gehe auch davon aus, dass das für viele Arbeitnehmer gar nicht so schlimm wäre. Studien zeigen zum Beispiel, dass Menschen, die zu viel Freizeit haben, sich in aller Regeln einen Zweitjob suchen. Arbeit wird in unserer Gesellschaft oft als Last dargestellt. Eines wird dabei aber vergessen: Der Mensch will produktiv sein.“
Hilmar Schneider ist Ökonom und leitet das Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit IZA in Bonn www.iza.org