Coworking in der Natur

So geht natürliches Arbeiten

Lesezeit:
4 minuten

28 November 2017

Titelbild: Coconat/Tilman Vogler

Janosch Dietrich vom Coconat sitzt in der Natur rund um den Coworking-Space und arbeitet

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28 November 2017
Das Coconat will konzentriertes Arbeiten mit Entspannung in der Natur verbinden. Dafür hat das Team einen alten Gutshof mitten in Brandenburg in ein sogenanntes „Workation-Retreat“ verwandelt. Das Ziel: das Beste aus Arbeit und Erholung zu verbinden

In Klein Glien treffen sich Kreativarbeiter, digitale Nomaden und Forscher aus Deutschland, Neuseeland, Kanada, Malaysia, Russland und der Türkei. Nicht schlecht für ein kleines Örtchen mit keinen 100 Einwohnern im Westen Brandenburgs. Aber was ist passiert?

„Wir sind kein Ufo aus Berlin, das hier gelandet ist“, erklärt Janosch Dietrich. Wenn man so will, ist er verantwortlich für das bunte Treiben auf dem Dorf. Dietrich ist nämlich einer der Mitgründer von Coconat, das grundsätzlich erst einmal nichts weiter ist als ein Coworkingspace, wie es sie in Großstädten wie Berlin und Hamburg schon seit Jahren gibt.

Coconat hat sich aber nicht in ein schickes, altes Fabrikgebäude in einem hippen Stadtteil eingemietet. Denn wie der Name schon sagt, geht es bei Coconat – das für „community and concentrated work in nature“ steht – um Arbeiten draußen in der Natur. „Die Idee wurde im Prinzip geboren aus unserem eigenen Bedürfnis, konzentriert im Grünen arbeiten zu können“, sagt Dietrich. Das Team benutzt dafür den Begriff „Workation“, eine Kombination aus Arbeit (work) und Entspannung (relaxation).

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Aber was heißt das konkret? Zunächst einmal schlicht, dass es – viele – Plätze zum Arbeiten gibt; Räume für Gruppen, aber auch für Leute, die lieber für sich sein wollen. Was das Coconat besonders macht, sind die zahlreichen Orte draußen: Hängematten, ein kleiner Tisch unter einer Trauerweide, eine Schaukel und weitere Naturarbeitsplätze – viele auch mit Internetanbindung.

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Im Haupthaus des Gutshof sind neben den Coworking-Räumen auch Küche, Esszimmer, Bibliothek samt Kamin und Zimmer zum Übernachten untergebracht. In anderen Gebäuden befinden sich noch Werkstätten, Lager und Eventräume, in denen beispielsweise Yogakurse stattfinden.

Individuelle Räume – individuelle Absprachen

So abwechslungsreich die Räume und Arbeitsplätze sind, so vielfältig gestaltet sich auch das Preismodell: Wer nur einen Schreibtisch haben will, zahlt dafür 10 Euro pro Tag, die All-inclusive-Verpflegung kostet 25 Euro. Für Übernachtungen werden je nach Anzahl der Betten pro Zimmer und Dauer des Aufenthalts 10 bis 45 Euro pro Person und Nacht fällig. Übernachtungsgäste benutzen die Coworkingspaces kostenfrei. Da alle Anfragen individuell behandelt werden, sind auch persönliche Absprachen möglich: Wer beispielsweise in der Werkstatt oder im Garten hilft, kann kostengünstiger übernachten.

Allerlei Platz und Möglichkeiten also, den Traum vom Workation-Retreat zu realisieren. Bis Coconat auf dem alten Gutshof in Klein Glien unterkommen konnte, hat es aber einige Zeit gedauert: „Wir haben uns zuerst einmal im Ausland angeschaut, wie so etwas überhaupt aussehen kann, in Deutschland gab es so etwas noch nicht.“ Dann habe man zwischen Hamburg und Berlin nach einem Standort gesucht, dort aber nichts passendes gefunden.

2015 hat das Team das Konzept erstmals auf die Probe gestellt – zuerst noch deutlich improvisierter, beispielsweise mit Schlafplätzen auf Sand und Euro-Paletten unter alten DDR-Zelten. Später wurde mit einem Hotel noch ein etwas höherer Standard ausprobiert. Diese Pilotprojekten liefen so gut, dass sich das Team endgültig entschloss, einen eigenen Ort zu kaufen.

Viele Anknüpfungspunkte für die Coconat-Community

Der alte Gutshof Glien wurde 2017 dann so hergerichtet, dass er seine Aufgaben von Arbeits-, Schlaf- und Lebensplatz erfüllen kann. Das Gelände bietet aber noch Platz für einiges mehr – und diesen Platz will das Team von Coconat auch ausnutzen: Permakulturgarten, Eventräume, Obstwiese, Badeteich, Saftmosterei, Fahrradverleih, alles schon irgendwie in Planung.

„Das könnten wir alleine gar nicht stemmen. Darum probieren wir, eine Community aufzubauen, in der es den Leuten Spaß macht, gemeinsam an etwas zu arbeiten“, sagt Dietrich. So sollen größere Renovierungen im Sommer als Eventwochen aufgezogen werden, mit Lagerfeuer, Open-Air-Kino und Konzerten.

Dieser Community-Gedanke steckt nicht nur im Namen von Coconat. Geht es nach Dietrich, ist die soziale Nachhaltigkeit – neben der ökologischen und wirtschaftlichen – der entscheidende Fokus des Teams: „Im Supermarkt Biomilch zu kaufen, ist viel einfacher, als sich wirklich nachhaltig in der Region zu verankern. Wir wollen, dass besonders die Menschen aus der Umgebung Anknüpfungspunkte haben.“ Deswegen habe man als erstes das örtliche Dorffest besucht – und als zweites die Leute aus der Region zu einem Workshop eingeladen. Später kam dann noch ein Fest auf dem Coconat-Gelände hinzu.

Dietrich kommt aus dem Aufzählen gar nicht mehr raus: „Bei uns finden auch die Wahlen statt, die Freiwillige Feuerwehr kommt regelmäßig zum Frühstück vorbei und auf unserem Außenbereich soll ein Biergarten entstehen.“ Was in der Dorfgemeinschaft beginnt, soll sich natürlich auch auf die Kunden, die Coworker, ausstrahlen. „Wenn wir Erfolg haben, kommen Menschen ins Gespräch, die sich sonst nie kennengelernt hätten. Wir zwingen die Leute auch ein bisschen dazu, wenn wir sagen: ‚Um 13 Uhr gibt’s für alle Essen!‘ oder ‚Jetzt machen wir den Kamin an‘. Das ist so ein bisschen wie Kindergeburtstag.“

Kein klassisches Coworking

Wer das Coconat einmal besucht, stellt aber schnell fest: Das ist alles andere als ein Kindergeburtstag. Alle drei Ansprüche, die im Namen stecken – konzentriertes Arbeiten, in der Natur, Community – werden auch tatsächlich umgesetzt. Wer will, kann sich stundenlang wie in jedem anderen Coworkingspace in dem eigenen Projekt verlieren. Wer aber Großstadt-Atmosphäre und herkömmliche Büroarbeit gewohnt ist, wird ein, zwei Tage brauchen, um sich an die im wahrsten Sinne des Wortes natürliche Umgebung zu gewöhnen, so stark sind die Kontraste und so ungewohnt ist das Arbeiten unter Bäumen.

Und auch wenn das Coconat für jeden Arbeits-Typus einen Platz hat, eignet es sich nicht für jedermann. Wer nur gelegentlich mal einen Tag in einem Coworkingspace arbeiten will, für den ist die An- und Abreise ein zu großes Hindernis. Der nächste Bahnhof liegt etwa sechs Kilometer entfernt, für Fahrradfahrer also bequem in 20 Minuten zu erreichen. Wer allerdings komplett auf öffentlichen Nahverkehr setzt, sollte bedenken, dass von Klein Glien zum Bahnhof der letzte Bus unter der Woche schon vor 19 Uhr abfährt.

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Aus dem gleichen Grund eignet sich das Coconat auch nicht, wie mittlerweile durchaus üblich, für junge Gründer und Start-ups, die sich noch kein eigenes Büro leisten können oder wollen und deswegen auf einen Coworkingspace ausweichen. Der größte Vorteil – das Arbeiten weitab vom Schuss – wird hier auch zum größten Nachteil.

Wirklich ideal ist es aber für kleine Gruppen, Businessevents und sogenannte „teambildende Maßnahmen“ sowie Einzelarbeiter, die sich für ein oder zwei Wochen voll und ganz einem Projekt widmen wollen. Für Dietrich umfasst die Zielgruppe alle, die „auch mal etwas anderes machen wollen als nur zu arbeiten“.

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