Klimaklägerinnen im Interview

„Die Bundesregierung sabotiert Klimaschutz“

Lesezeit:
3 minuten

3 December 2019

Silke Backsen ist eine der Biobäuerinnen, die gemeinsam mit ihrer Familie die Deutsche Regierung verklagt hat. Ihr Hof befindet sich auf der Insel Pellworm und ist direkt betroffen von den Folgen der Erderwärmung. Steigt der Meeresspiegel, könnten vorhandene Deiche bald nicht mehr ausreichen, um die Insel zu schützen.

BILD: GORDON WELTERS/GREENPEACE

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3 December 2019
In Berlin wurde im Oktober 2019 die erste Klimaklage gegen die Bundesregierung verhandelt. Drei Bauernfamilien wollten die Regierung gemeinsam mit Greenpeace dazu zwingen, mehr für die Reduzierung des Treibhausgasausstoßes zu tun. Die Klage wurde in erster Instanz abgewiesen, die Kläger*innen dürfen aber Berufung einlegen. Enorm hat mit der Klägerin Silke Backsen und Anike Peters von Greenpeace, darüber gesprochen, warum sie nicht aufgeben.

Frau Backsen, die Klage ist in erster Instanz gescheitert. 

Wir waren enttäuscht, aber ehrlicherweise sind wir gut genug informiert worden von unserer Anwältin, dass das schwierig wird. Aber die Aussage des Urteils ist auch: Klimaschutz ist ein Grundrecht. Das ist sehr ermutigend. Wir dürfen in Berufung gehen.

Dies war aber keine Aussage des Gerichts?

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Backsen: Nein, aber so hat unsere Rechtsanwältin das Urteil beurteilt. Die Klage ist ja deshalb gescheitert, weil wir uns auf Kabinettsbeschlüsse berufen haben: Wieder und wieder hat die Politik versprochen, etwas zu tun, um die Treibhausgas-Emissionen zu senken. Aber dann wurde nie etwas getan und alle lose beschlossenen Ziele wurden nicht erreicht. Kabinettsbeschlüsse sind nun nur eine politische Willensbekundung. Sie haben keine rechtlichen Auswirkungen. Dafür bräuchten wir ein echtes Gesetz. Das wird nun kommen. Wenn das Klimapaket durch ist, haben wir eine andere Argumentationsgrundlage. Wir können uns im weiteren Prozess darauf berufen.

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Die Bedrohung durch die Klimakrise ist zu groß, um sich durch ein erstes Urteil abschrecken zu lassen.
Anike Peters, Greenpeace

Wie sehen jetzt die nächsten rechtlichen Schritte aus, Frau Peters?

Peters: Bevor Greenpeace gemeinsam mit den Klägerfamilien entscheidet, ob wir in Berufung gehen, warten wir auf die schriftliche Urteilsbegründung. Diese liegt bislang nicht vor. Erst, wenn wir die Urteilsbegründung analysiert haben, werden wir über das weitere Vorgehen entscheiden. Das Gericht hat uns bestätigt, dass Klimaklagen grundsätzlich zulässig sein können. Greenpeace wird daher in jedem Fall am Ball bleiben, wirksamen Klimaschutz juristisch zu erstreiten. Die Bedrohung durch die Klimakrise ist zu groß, um sich durch ein erstes Urteil abschrecken zu lassen. Mit dem Klimapaket und den Vorschlägen für das Kohleausstiegsgesetz zeigt sich, dass die Bundesregierung Klimaschutz regelrecht sabotiert.

Anike Peters ist Greenpeace-Expertin für Klima und Energie und hat die Klimaklage initiiert. Bild: Gordon Welters/Greenpeace

Das Medienecho vor der Urteilsverkündung war riesig, danach ist es verhallt.

Backsen: Der Hype hat mich überrascht. Dass die Berichterstattung danach nicht mehr stattgefunden hat, hat mich enttäuscht. Man darf aber nicht aufhören, Druck zu machen. Ich fahre von A nach B, versuche Leute für unser Anliegen zu gewinnen, war gerade bei Students for Future und habe auch bei Fridays for Future gesprochen. Man erhält viel Zuspruch, aber eben nicht nur. Es waren auch ein paar unangenehme Anrufe dabei.

Wurden Sie privat bedroht?

Nein. Aber es gab Privatpersonen, die direkt angerufen haben, oder einem üble Post schicken. Aber das allermeiste Feedback, das wir bekommen, ist positiv.

Werden alle bisherigen Kläger*innen weiter machen?

Peters: Die Stimmung nach der Abweisung war bei allen kämpferisch, so dass ich zum jetzigen Zeitpunkt davon ausgehe, dass wir alle gemeinsam weitermachen. Ob es Sinn macht, weitere Klägerparteien aufzunehmen, kann erst dann entschieden werden, wenn klar ist, wie es weitergeht. Im Falle einer Berufung würde unsere Klimaklage im nächsten Schritt vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg verhandelt. Wann das Gericht eine Verhandlung ansetzen würde, liegt alleine beim Gericht und lässt sich vorab nicht abschätzen.

Es ist für mich ein ehrenamtliches Engagement. Wir brennen für die Sache und versuchen andere Menschen ebenfalls für Klimaschutz-Aktionen zu motivieren.
Silke Backsen, Biobäuerin

Backsen: Wir sind alle motiviert und tauschen uns regelmäßig in Telefonkonferenzen aus. Wir wollen weiter kämpfen.

Empfinden Sie die große Öffentlichkeit als Belastung?

Backsen: Nein. Es ist für mich ein ehrenamtliches Engagement. Man muss wissen, ob man das will. Wir brennen für die Sache und versuchen andere Menschen ebenfalls für Klimaschutz-Aktionen zu motivieren.

Wie beurteilen Sie die Bauernproteste in Berlin vergangene Woche?

Backsen: Ich bin sehr gespalten, ich kann einen Teil der Wut und des Frustes verstehen. In den Städten entfremdet man sich sehr von der Nahrungsmittelproduktion. Die Politik hat die Landwirtschaft viele Jahre ausgequetscht wie eine Zitrone. Die großen Betriebe profitieren im Verhältnis deutlich mehr von den Subventionen, als kleinbäuerliche Betriebe. Auch der Bauernverband setzt sich aus meiner Sicht nicht genug für die kleinbäuerliche Landwirtschaft ein. Was ich aber bei den Protesten gar nicht verstehen kann, ist, wie man sich gegen die Düngemittelverordnung, die meiner Meinung nach noch nicht streng genug ist, und gegen Insektenschutz stellen kann. Da muss viel differenzierter argumentiert werden.

Was haben sie aus der bisherigen Klage für Lehren gezogen?

Was uns und den Kindern klar geworden ist, dass die Politiker sich lauter grüne Feigenblätter hinhängen. Aber das sind nur leere Versprechungen. Die Menschen werden so immer politikverdrossener. Es ist uns wichtig, die Menschen daran zu erinnern, dass eben doch jeder Einzelne etwas bewegen kann. Man muss trotzdem wählen gehen. Man muss die Politik immer wieder zur Rechenschaft ziehen.

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Es gibt weltweit immer mehr Klimaklagen gegen Regierungen. Sind sie mit Klimaklagenden aus anderen Ländern in Kontakt?

Peters: Unser Vorbild ist die Klage der Organisation Urgenda für die Verschärfung der holländischen Klimaziele. Die Gerichte haben die niederländische Regierung bereits in zwei Instanzen dazu verurteilt, die Klimaziele anzuheben. Jetzt liegt der Fall beim Obersten Gerichtshof. Auch in Österreich und Frankreich sind spannende Klimaklagen hinzugekommen. Wir sind daher im Austausch mit anderen Organisationen und Jurist*innen, die an Klimaklagen beteiligt sind.

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