Honigbienen am Ende
Bienensterben: Summ, bitte summ!
4 minuten
11 September 2018
Titelbild: Swapnil Sharma/Pexels
Was der Wildbiene gut tut, davon profitiert letztlich auch die Honigbiene
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11 September 2018
Seit zwei Jahren summt und surrt es jedes Frühjahr hinter der Südtribüne des Hamburger Millerntor- Stadions. Auf dem Balkon vor den Räumen der Geschäftsstelle des FC St. Pauli verrichten zwei Bienenvölker ihre Arbeit. Im nahen Park „Planten un Blomen“ finden sie ausreichend Blüten zum Bestäuben – und genug Nektar. Daraus entsteht der Ewaldbienenhonig, benannt nach dem ehemaligen Trainer Ewald Lienen. Bei den Fans des FC St. Pauli ist dieser Honig ein Renner.
Die Mitarbeiter des Clubs kümmern sich allerdings nicht selbst um die etwa 160.000 Bienen in den beiden Kisten hinter der Südtribüne. Die Imkerei Marleena pflegt die Völker, erntet den Honig und füllt ihn in schmucke Ewaldbienenhoniggläser. „2017 hatten wir etwa 67 Kilogramm, genug für 700 kleine Gläser“, sagt Jetta Leena Ramcke von der Imkerei Marleena.
Ramcke, 37, ist Sportlehrerin und kümmert sich derzeit um vier Bienenvölker. Die Imkerei betreibt sie in ihrer Freizeit –und liegt damit voll im Trend. 96 Prozent der deutschen Honigproduzenten sind Hobbyimker und halten nach Angaben des Deutschen Imkerbundes bis zu 25 Völker. Imkern ist in Mode. Heute setzen 25 Prozent mehr Menschen auf dieses Hobby als noch vor fünf Jahren. Der Effekt: Es gibt wieder mehr Bienenvölker in Deutschland. Von 2010 bis 2017 stieg ihre Zahl von 600.000 auf 850.000.
Eine erfreuliche Entwicklung. Denn nach der Wende war die Zahl der Bienenvölker fast um die Hälfte zurückgegangen. „Die ehemalige DDR hatte die Imkerei stark subventioniert“, so Robin Moritz von der Universität Halle-Wittenberg. Nach dem Mauerfall fiel diese Unterstützung weg, Imker verloren das Interesse, viele machten sich gen Westen auf. Zu Recht befürchteten Experten, dass die natürlichen Bestäuber zu wenige werden. Fehlen sie, tragen Apfelbaum, Erdbeere, Tomate und Co. keine Früchte. Ein Drittel aller Lebensmittel hängt von der Arbeit der Bienen ab.
Weltweit gibt es immer mehr Bienenvölker
Dass es neuerdings wieder mehr Imker und Bienen gibt, führt Werner von der Ohe, Leiter des Instituts für Bienenkunde in Celle, vor allem auf einen Bewusstseinswandel in der Öffentlichkeit zurück. Die Medienberichte über das große Sterben hätten den Menschen klar gemacht: Die Biene ist in Gefahr. „Mittlerweile wächst die Zahl der Bienenvölker in Deutschland sogar um etwa 15 Prozent im Jahr.“
Auch weltweit gibt es immer mehr Bienenvölker. Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen mit Sitz in Rom wurden 2013 mehr als 81 Millionen Bienenstöcke gemeldet. 13 Jahre zuvor waren es nur 70,7 Millionen, 1973 sogar nur 55,3 Millionen. So gut sich das alles anhört, Fakt ist auch: Das große Bienensterben, das derzeit viele Menschen besorgt, ist trotzdem real. Bedroht sind nicht die Honig-, sondern die Wildbienen, eine Unterscheidung, die vielen Menschen nicht bewusst ist, so Bienenkundler von der Ohe. 2014 veröffentlichten Insektenforscher der Weltnaturschutzunion IUCN erstmals eine „Rote Liste“ der europäischen Bienen. Demnach sind in Deutschland rund 53 Prozent der 560 Wildbienen-Arten gefährdet.
Gründe gibt es mehrere, so von der Ohe, sogar „einen ganzen Fächer“: „Zum einen haben wir die Erde in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter versiegelt, etwa mit Supermärkten und riesigen Parkplätzen am Rande der Dörfer.“ Die Folge: Nährpflanzen verschwinden, auf die Wildbienen angewiesen sind. Zum anderen gibt es in einer auf Effizienz getrimmten Landwirtschaft immer weniger Wildblumenwiesen, naturnahe Weiden oder Blühstreifen und Sträucher zwischen den Äckern.
Wildbienen häufiger Giften ausgesetzt
Hinzu kommen Gifte, die in den „Monokulturen der Landwirtschaft gegen Schadinsekten eingesetzt werden“, sagt Randolf Menzel, Zoologe und Neurobiologe an der Freien Universität Berlin. Die sogenannten Neonicotinoide seien zwar auch für Honigbienen gefährlich, so Menzel, „doch die Wildbiene leidet noch stärker darunter“. Die Tiere leben häufig in der Erde und sind den Giften dort stärker ausgesetzt als Honigbienen, die sich in ihre geschützten Bienenstöcke zurückziehen können. Bereits in niedriger Dosierung können Neonicotinoide Insekten lähmen, töten oder Lernvermögen und Orientierungsfähigkeit beeinträchtigen.
Als die Europäische Union Anfang April drei Neonicotinoide verbot, jubelte Bundesagrarministerin Julia Klöckner über einen „guten Tag für den Schutz der Bienen in Deutschland und in Europa“. Bundesumweltministerin Svenja Schulze aber weiß, dass das Verbot allein nicht reichen wird. Sie will die Landwirtschaft insgesamt insektenfreundlicher gestalten. Anfang Mai stellte sie die Eckpunkte des „Aktionsprogramm Insektenschutz“ vor: weniger Dünger und Pflanzenschutzmittel auf den Feldern, mehr Hecken, kleinere Felder, mehr Blühstreifen.
Auch Bienen-Experte von der Ohe fordert eine umfassendere Strategie, „um wieder Habitate für Wildbienen zu schaffen“. So eine Strategie lohnt sich auch ökonomisch. Nach Einschätzung von Experten bringt das Bestäuben durch Wildbienen der Landwirtschaft weltweit 153 Milliarden Euro im Jahr ein. Und auf Äckern mit Monokulturen wie Raps sind fünfmal mehr Bestäuber nötig als vor zehn Jahren, damit sich die Pflanzen vermehren. Gleich mehrere Studien belegen: Wildbienen bestäuben Nutzpflanzen viel effizienter als Honigbienen. „Um einen Hektar Apfelplantage zu bestäuben, braucht es mehrere zehntausend Honigbienen, aber zum Beispiel nur ein paar hundert Mauerbienen“, sagt Experte von der Ohe. Zudem sichern Wildbienen den Bestand wilder Blütenpflanzen und erhalten die Biodiversität. Die Pollen einiger Pflanzen können nur die wilden Bestäuber mit ihrem längeren Rüssel erreichen.
Den Stadtbienen geht es besser
Was der Wildbiene gut tut, davon profitiert letztlich auch die Honigbiene. Denn trotz aller erfreulichen Zahlen: Viele Honigbienen sterben im Winter. Schuld daran ist die Varroamilbe, eingeschleppt aus Asien. Die Milbe schwächt die Bienen: Die Larven verlieren an Gewicht, die geschlüpften Bienen sind daher später kleiner als gesunde Tiere. Und sie leben deutlich kürzer.
St.-Pauli-Imkerin Ramcke kennt das Milben-Problem: „Fast alle Völker sind befallen, auch bei Bienen in der Stadt.“ Dennoch gehe es den Stadtbienen immer noch besser als den wilden Völkern auf dem Land, „schon wegen der Pestizide“. Ramcke ist sicher: Jeder kann zum Erhalt der Bienen beitragen – und sei es im Kleinen. „Bienenfreundliche Samenmischungen gibt es für wenig Geld zu kaufen.“ Ausgesät im Garten oder auf dem Balkon entsteht damit für die Insekten ein kleiner aber wichtiger Überlebensraum.