Elektrische Entwicklungshilfe
Strom auf Rädern
3 minuten
30 December 2014
Titelbild: A.R.E.D.
Licht, Information, Arbeitsplätze: Der mobile Solarkiosk von Henri Nyakarundi bringt all das auch in die entlegensten Gebiete der Welt
3 minuten
30 December 2014
Und dann ist wieder der Akku alle. Natürlich gerade in dem Moment, wenn man das Handy besonders dringend gebraucht hätte. Ärgerlich, aber dann muss das Telefon eben an eine Steckdose und wieder aufgeladen werden. Was bei uns ein einfacher Handgriff ist, stellt sich allerdings in vielen Regionen der Welt als echte Herausforderung dar.
Rund 1,4 Milliarden Menschen weltweit haben keinen oder nur sehr eingeschränkten Zugang zu Strom. Allein in Afrika leben ungefähr 600 Millionen Menschen ohne Stromanschluss. In Ostafrika haben nur rund sechs Prozent der Bevölkerung Zugang zu Elektrizität, aber zwischen 50 und 60 Prozent der Menschen sind im Besitz eines Handys. Denn die Mobilgeräte sind extrem wichtige Kommunikationsmittel. Gerade in abgeschiedenen und ländlichen Regionen sind sie oftmals der einzige Zugang zum Handel, zu Informationen, zu Bildung und zu Politik.
Eine Tagesreise, um das Handy aufzuladen
Aber wenn der Akku leer ist, wird auch die Informationsleitung gekappt und eine nahe Steckdose gibt es oft nicht. Ein Mobiltelefon aufzuladen ist nicht selten mit einer Tagesreise in die nächste Stadt verbunden, wo eine Ladung dann auch noch sehr teuer sein kann. Viele Telefone, wenig Strom – dieses krasse Missverhältnis wurde Henri Nyakarundi wieder einmal schmerzlich bewusst, als er 2009 seine alte Heimat Burundi besuchte. Er hatte in den 1990er Jahren das Land wegen der instabilen politischen Situation verlassen. In den folgenden Jahren studierte er in den USA Bauingenieur und beschäftigte sich mit den Möglichkeiten der erneuerbaren Energien. Vor allem aber entdeckte er seine unternehmerische Seite.
Nach seinem Trip nach Burundi recherchierte Nyakarundi wochenlang nach Anbietern, die auch Menschen mit Niedrigsteinkommen eine verlässliche Stromquelle zur Verfügung stellten und fand: nichts. Also beschloß er zu handeln und entwickelt in einem kleinen Team einen ersten Prototyp eines Geräts, das dem Strommangel Abhilfe schaffen sollte: einen mobilen Solarkiosk.
Der Solarkiosk ist ausgestattet mit einklappbaren Solarmodulen, die den Strom erzeugen. Das Gerät verfügt über Ladestationen für Handys, Solarlampen, Radios und andere Kleinverbraucher. Eine große Batterie ermöglicht Energie auch für die Nacht zu speichern. Falls keine Sonne scheint, kann Strom auch per Handkurbel erzeugt werden. In zwei verschließbaren Schubladen kann der Betreiber Waren oder Geld sicher aufbewahren. Bald schon soll die Station außerdem WiFi erhalten, so dass rund um den Kiosk Menschen preisgünstig Zugang zum Internet bekommen.
Der Clou des Solarkiosk sind die Trekking-Räder
Das beste aber: die Station steht auf drei Rädern, die für Off-Road-Gelände designt wurden. Das verschafft dem Betreiber des mobilen Solarkiosk gegenüber der stationären Konkurrenz einen wesentlichen Vorteil: Sind die Module transportsicher eingeklappt, kann es losgehen. Über unebene Straßen oder auch nicht asphaltiertes Terrain kann der mobile Solarkiosk geschoben, gezogen oder auch an ein Fahrrad angehängt und transportiert werden. Überall dorthin wo sich der Verkauf lohnt, zum Beispiel auf Marktplätzen, an Busstationen oder bei Veranstaltungen sowie dort wo Strom anderweitig kaum verfügbar ist: in ländlichen und abgelegenen Regionen. Der mobile Solarkiosk, so Nyakarundis Idee, soll ein moderner Dienstleister in Miniformat sein: Ladestation und Shop in einem.
Für seine Innovation ist Henri Nyakarundi inzwischen mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden. Nicht nur für die Konstruktion des mobilen Solarkiosks, sondern vor allem für das Geschäftsmodell. Denn Nyakarundi hat ein Franchize-System entwickelt, das mit Hilfe der mobilen Solarkioske zahlreiche Arbeitsplätze schaffen soll. „Ich glaube, dass Entrepreneruship einer der wichtigsten Aspekte ist, um der Armut in diesen Regionen beizukommen“, sagt Nyakarundi.
Unternehmerische Kompetenzen werden geschult
Deswegen werden die Franchize-Nehmer von Nyakarundis Unternehmen African Renewable Energy Distributor (ARED) entsprechend geschult. In Workshops wird ihnen beigebracht, wie der Solarkiosk zu bedienen ist; vor allem aber was es bedeutet, ein Unternehmer zu sein, wie man sich selbst vermarktet und seine Waren und Dienstleistungen gewinnbringend verkauft. Zudem agiert ARED als Großeinkäufer für die Produkte und Dienstleistungen, die am Kiosk vertrieben werden, so dass der Franchisenehmer sich auf den Endverbraucher konzentrieren kann. Ziel ist es, dass der Betreiber für sich und seine Familie den Lebensunterhalt bestreiten kann – und dabei sein eigener Herr oder Frau bleibt.
Denn Nyakarundi will mit seinem Projekt auch die Gleichberechtigung stärken. Von seinen bislang 25 Franchizern sind 20 Prozent Frauen und 10 Prozent körperlich Beeinträchtigte. Bislang gibt es nur einige wenige mobile Solarkioske, die in Ruanda betrieben werden. Im kommenden Jahr soll es aber bereits 100 Stück im Land geben – mit einer Frauenquote unter den Betreibern von mindestens 30 Prozent. „Unser Programm hat sehr positive soziale Auswirkungen, die aber größer sein könnten, wenn wir mehr Unterstützung der größeren Organisation bekämen, die ebenfalls die Armut bekämpfen“, sagt Nyakarundi.
Expansion durch Lizensierung
Nun will er seine Idee lizensieren und so mit dem mobilen Solarkiosk weiter expandieren, um schnellstmöglich weitere Arbeitsplätze zu schaffen. Unternehmen können dann den Kiosk auf die Bedürfnisse des jeweiligen Landes abstimmen, die Kioske als Werbefläche nutzen, ihre Dienstleistungen anbieten und durch ihre Präsenz ganz neue Märkte erschließen. Insbesondere für Telekommunikations- und Internetkonzerne sowie Mobilfunkunternehmen sieht Nyakarundi ein großes Potenzial. „Wir arbeiten an einem Pilotprojekt in Burundi und haben bereits Interessenten aus Mali, dem Südsudan, Kenia und Nigeria“, sagt er. Für 2015 sei das Ziel die Entwicklung der zweiten Generation des Kiosks abzuschließen, 100 Kioske in Ruanda zu etablieren und strategische Investoren zu akquirieren, die ein schnelleres Wachstum des Projekts ermöglichen würden. Denn bislang hat Nyakarundi das ganze Unterfangen gänzlich aus eigener Tasche finanziert.