Umweltschutz im Blumentopf
So nachhaltig sind Zimmerpflanzen
6 minuten
12 December 2019
TITELBILD: MARGARITA TEREKHOVA/UNSPLASH
Wenig Wasser und viel Sonne – das brauchen Sukkulenten. Die richtige Pflege hilft, damit die grünen Mitbewohnerinnen möglichst lange gesund bleiben.
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12 December 2019
Monstera, Bogenhanf und Sukkulenten: Instagram ist grün. Unter dem Hashtag #urbanjungle trenden über drei Millionen Posts zu Zimmerpflanzen. Sogenannte Plantfluencer, also Influencer für Pflanzen, geben Tipps zur Pflege und posieren mit ihren grünen Mitbewohnerinnen. Doch so grün die Fotos auch sind: Zimmerpflanzen sind oft nicht nachhaltig.
Die Pflanzenzucht ist ein internationales, lukratives Geschäft. Viele der Pflanzen auf dem deutschen Markt kommen aus den Niederlanden und Belgien, aber auch aus Dänemark, Italien und Spanien. Im Schnitt gaben Menschen in Deutschland im Jahr 2018 laut Zentralverband Gartenbau 105 Euro für Blumen und Zierpflanzen aus.
Rund ein Fünftel, also 18 Euro, entfielen auf Zimmerpflanzen. Am beliebtesten sind Orchideen, die mehr als ein Drittel des Marktvolumens ausmachten, gefolgt vom grün-roten Weihnachtsstern und Topf-Rosen. Deutschland ist mit einem Volumen von 8,7 Milliarden Euro der größte Konsumentenmarkt für Pflanzen und Blumen in Europa. Und das, obwohl die Lieblings-Zimmerpflanze Orchidee im Gartencenter im Schnitt nur 15 Euro kostet.
Die Nachfrage ist groß und die Produktion der billigen Supermarkt-Ware findet kaum unter umweltfreundlichen Bedingungen statt. Pestizide, also Pflanzenschutzmittel, die Pilze oder Schädlinge bekämpfen sollen, zählen zu den größten Problemen, sagt Corinna Hölzel vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). „Bei der Aufzucht von Zierpflanzen werden jede Menge Insektizide und Fungizide eingesetzt.” Sie rät dazu, nur ökologisch angebaute Pflanzen zu kaufen.
Bio-Qualitätskriterien für Zierpflanzen
Ökologische Anbauverbände wie Demeter, Naturland und Bioland haben Bio-Qualitätskriterien für Zierpflanzen aufgestellt, die in manchen Bereichen strenger sind als die gesetzlichen Anforderungen der EG-Öko-Verordnung. Bei Bioland liegt die maximale Stickstoff-Düngung bei Gemüse- und Zierpflanzen etwa bei 110 Kilogramm pro Hektar im Jahr – bei dem EU-Biosiegel gilt eine Obergrenze von 170 Kilogramm, jedoch nur für Stickstoff-Dünger aus der Tierhaltung. Zu viel Stickstoff kann jedoch Ökosysteme, Luftqualität und Biodiversität massiv beeinträchtigen.
Marta Fröhlich von Bioland erklärt, was ihr Label ausmacht: „Bioland-Betriebe verwenden statt chemisch-synthetischer Düngemittel organische wie Mist und Gülle und verzichten auf künstliche Pestizide. Dadurch schonen sie den Boden und schützen die Artenvielfalt der Insekten.” Außerdem gehe es um die Gesundheit derer, die Zimmerpflanzen anbauen. Um Pflanzen biologisch vor Schädlingsbefall zu schützen, können auch ätherische Öle oder sorgfältige Handarbeit helfen.
Pflanzenerde geht auch ökologisch
Auch die Pflanzenerde birgt Herausforderungen. Sehr häufig enthält sie Torf. Corinna Hölzel, Pestizid-Expertin vom BUND, sagt: „Torf ist leider billig, aber kommt oft aus Weißrussland, wo wertvolle Torfgebiete abgestochen werden und gigantische Kohlenstoffvorkommen freigesetzt werden.” Durch den Abbau wird Lebensraum für Tiere und Pflanzen zerstört. Bei Bioland darf der Torfanteil laut Richtlinien in Substraten daher maximal 50 Volumenprozent, bei Zierpflanzenkulturen und bei Erden für Jungpflanzen maximal 70 Volumenprozent betragen.
Noch könne man nicht ganz darauf verzichten, denn Torf habe Vorteile, sagt Fröhlich von Bioland: „Er erhöht die Pressfähigkeit von Erde, enthält deutlich weniger Salz als torffreie Erden und kann besser Wasser speichern.” Torf sei jedoch nur eine Übergangslösung, langfristig wolle man weitgehend davon wegkommen. Derzeit werden laut BUND in Deutschland jährlich zehn Millionen Kubikmeter Torf verbraucht, zweieinhalb davon von Hobbygärtnern.
Alternativen gibt es bereits: Kompost, aufbereitete Holzfasern oder Kokosfasern. Die jedoch müssen weite Transportwege zurücklegen. Der Naturschutzbund (Nabu) stellt auch eine Anleitung zur Verfügung, wie man selbst Blumenerde ohne Torf, dafür jedoch etwa mit Gartenerde, Grünschnitt-Kompost, Kokosfasern und Lehm, herstellen kann.
Doch auch Hornspäne, also geschrotetes Horn von Schlachttieren, empfiehlt der Nabu. Hornspäne liefern Stickstoff, doch dadurch ist die Blumenerde nicht vegan. Alternativen können pflanzliche Nährstoffe wie Lupinen oder Rizinusschrot sein. Auch bei städtischen Wertstoffhöfen und Kompostanlagen kann man Blumenerde kaufen, mitunter in Bio-Qualität und torffrei.
Doch nicht nur die Erde, sondern auch das Gefäß zur Pflanzenanzucht soll nachhaltig sein. So strebt Bioland etwa Kulturgefäße aus Materialien, die verrotten wie Altpapier, Holzfasern und Hanf, oder aus Ton an. Wenn schon Kunststoff, dann so stabil, dass dieser mehrmals verwendbar und recycelbar ist, PVC ist nicht zugelassen.
Label helfen bei der Orientierung
Für Corinna Hölzel vom BUND liegt vieles an der Nachfrage: „Der Wunsch nach ebenmäßigen und einheitlich hochgezüchteten exotischen Pflanzen ist so ausgeprägt, dass es oft schwierig ist, das auf ökologischem und natürlichem Weg herzustellen.” Tatsächlich ist der Anteil zertifizierter Bio-Zimmerpflanzen noch immer verschwindend gering.
Fröhlich von Bioland hat dafür eine Erklärung: „Bei Lebensmitteln sind die Menschen schon sensibilisiert dafür, welche Folgen chemisch-synthetische Pestizide und Düngemittel haben. Wenn ich etwas esse, beschäftige ich mich anders damit als wenn ich mir eine Pflanze ins Wohnzimmer stelle oder verschenke.”
Anders als bei Pflanzen, die zum Verzehr gedacht sind, gibt es für Zierpflanzen – abgesehen von denen der ökologischen Anbauverbände – wenige Label, die ein bestimmtes Maß an Umweltstandards garantieren. Das niederländische Umweltprogramm Zierpflanzen MPS bietet verschiedene Zertifikate für sozialverantwortliche und nachhaltige Produktion im Gartenbau. GlobalGAP wiederum garantiert neben sozialen Belangen auch einen Mindeststandard für konventionelle Landwirtschaft, der jedoch nur für Zulieferer gedacht ist und nicht für den Endverbraucher einsehbar ist. Dafür gibt es hingegen das dazugehörende GGN-Verbraucherlabel, bei dem man Online über eine entsprechende Nummer zurückverfolgen kann, wo die Pflanze angebaut wurde.
Im Sommer 2017 kündigte der Discounter Aldi an, das GNN-Label nach und nach für Blumen- und Pflanzenerzeugnisse einzuführen. Auch Lidl erklärte im Mai 2018, bis Ende des Jahres sämtliche Blumen und Pflanzen mit dem GGN-Verbraucherlabel von GlobalGAP zertifizieren zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt seien bereits 85 Prozent der Blumen und Pflanzen durch GlobalGAP, Fairtrade oder MPS zertifiziert gewesen. Aktuellere Zahlen gibt es von Lidl auch auf Nachfrage nicht. Man plane aktuell, „bis Mitte 2020 – abhängig von den erforderlichen Zertifizierungen aller unserer weltweiten Erzeuger – das gesamte Sortiment ,Blumen und Pflanzen’ mit dem GGN Verbraucherlabel von GlobalG.A.P. auszuzeichnen”.
Genauso wie bei Kaffee und Bananen herrschen auch bei Pflanzen, die aus Ländern des Globalen Südens importiert wurden, oft prekäre Arbeitsbedingungen in der Produktion. Fairtrade zertifiziert daher nicht nur Schnittblumen, sondern auch Zierpflanzen, die den Standards genügen. Dabei geht es laut Fairtrade jedoch nicht nur um gerechtere Arbeitsbedingungen, die Garantie wichtiger Einnahmequellen im Globalen Süden – insbesondere für Frauen –, sondern auch Umweltaspekte. Für Farmen gelten ökologische Kriterien, wie wassersparende Bewässerung, Kläranlagen, Kompost- und Müllmanagement. Doch bisher bauen nur 69 Farmen, die vor allem in Kenia und Äthiopien liegen, Schnittblumen und Pflanzen zu Fairtrade-Standards an.
Regional und Bio: Kleine Blumenläden machen’s vor
Wo Verbraucher*innen nach biologischen Standards produzierte Pflanzen kaufen können, zeigt die Website des von Bioland getragenen Projekts „Entwicklung und Optimierung des Zierpflanzenanbaus zu nachhaltiger und ökologischer Produktion”.
Dort findet sich auch das Berliner Floristikgeschäft Blumen Goldbeck, wo es von Demeter oder mit dem EU-Biosiegel zertifizierte Pflanzen gibt. Seine Geschäftsführerin Lilli Erasin setzt komplett auf Nachhaltigkeit, sei es beim Spülmittel oder den Kompost-Eimern. Bio-Zimmerpflanzen zu finden, sei jedoch oft schwierig.
Ein Problem sind die besonderen klimatischen Bedingungen: „Bei Balkon-Pflanzen würde ich immer zu heimischen Pflanzen raten, aber Zimmerpflanzen kommen fast alle aus den Subtropen.” Gerade in den Wintermonaten stehen besonders wenige Topfpflanzen in dem Berliner Blumenladen. Denn in der kalten Jahreszeit sei es kompliziert, ausreichend warme Bedingungen für die Pflanzen zu schaffen. Außerdem sei der Winter ihre Ruhezeit, in der Topfpflanzen weder umgetopft, noch viel gedüngt und gegossen werden wollen.
Noch sind ökologische Zimmerpflanzen ein Nischenthema. Doch Goldbeck-Chefin Lilli Erasin stellt fest: Das Bewusstsein werde immer größer. Die Floristin rät dazu, beim Einkauf nachzufragen, wo die Pflanze herkommt, welche Erde verwendet werde und ob es eine Zertifizierung gebe. „Wenn man denen im Blumenladen, im Baumarkt oder bei Ikea genug auf die Nerven geht, dann geben die das auch an ihre Einkäufer weiter.”
Richtige Pflege ist nachhaltige Pflege
Oft komme dazu, dass Pflanzen falsch gepflegt werden, sagt Lilli Erasin. Grundsätzlich gelte, genau zu recherchieren, wie oft man gießen muss, welchen Standort die Pflanze bevorzuge. „Man muss sich verdeutlichen, wo kommt so eine Pflanze eigentlich her und was hat die am allerliebsten.” Manche Pflanzen seien für Anfänger besonders gut geeignet, bei anderen müsse man hingegen mehr Aufwand betreiben, etwa die Blätter mit destilliertem Wasser besprühen, weil kalkhaltiges Leitungswasser die Poren verstopfen könnte. Im Badezimmer fühlen sich etwa Farne besonders wohl, weil sie die Luftfeuchtigkeit auch über die Blätter aufnehmen können, erklärt Lilli Erasin.
An Fenstern mit viel Sonne, können Sukkulenten gut gedeihen – wenn sie wenig Wasser abbekommen. Für helle Standorte ohne direkte Sonne empfiehlt die Floristin hingegen Mosaikpflanzen, die viel Wasser brauchen. „Das ist gut, weil man Pflanzen eher übergießt. Die Mosaikpflanze ist dann nicht beleidigt. Wenn es ihr zu trocken ist, sieht man ihr das sehr schnell an und kann sie wunderbar retten.” Pflanzen würden erst zeitversetzt zeigen, wie gut sie sich fühlen. „Eine Pflanze ist kein Dekorations-Objekt aus Plastik, sondern ein lebendiger Mitbewohner”, sagt Erasin. Sie betont jedoch: „Wenn man sich mit Pflanzen auseinandersetzt, dann findet man sehr gut heraus, was sie brauchen.”
Pflanzen regional und in kleineren Blumenläden zu kaufen, ist oft nachhaltiger als die billigere Ware aus dem Supermarkt, auch weil dort etwa im zugigen Eingangsbereich nicht immer ideale Bedingungen herrschen. Eine Alternative bieten außerdem Netzwerke wie ebay Kleinanzeigen oder Nachbarschafts-Apps. Pflanzen kann man so tauschen oder häufig günstiger kaufen. Auch mit abgeschnittenen Trieben lassen sich die meisten Pflanzen vermehren. Manche Pflanzen wie Grünlilien oder Sukkulenten wiederum bilden Ableger. Geduldige Hobbygärtner können auch selbst aus Samen ihre Zimmerpflanzen ziehen, beliebt sind etwa Avocadokerne. Einen besonderen Ansatz verfolgt Botanoadopt. Auf dieser Website können Pflanzen „adoptiert“ werden. Die neuen Besitzer*innen verpflichten sich, die Pflanzen gut zu pflegen und dazu der Plattform regelmäßig Fotos sowie kleine Berichte über das Wohlergehen der neuen Mitbewohnerin zu schicken.