Trends in der Lebensmittel-Branche

Die Zukunft auf dem Teller

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3 minuten

27 November 2019

TITELBILD: ALEX WIGAN/UNSPLASH

Wie soll die Lebensmittel-Industrie zukünftig aussehen? Dazu forschen Wissenschaftler am Fraunhofer ISI.

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27 November 2019
Ein Drittel aller Lebensmittel landet auf dem Müll. Die Fleischindustrie ist für immense Treibhausgasemissionen verantwortlich. Wie kann unsere Nahrungsmittelproduktion zukünftig aussehen? Nachhaltige Lösungen reichen von pflanzlichem Fleischersatz bis zu Essenskisten oder „Foodsharing“.

Beim Klima geht es nicht nur um die Wurst. Zusätzlich zur Fleischindustrie tragen weitere Faktoren der Lebensmittelproduktion zu Problemen wie klimaschädlichen Treibhausgasen bei. Das Karlsruher Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) erfasste in einer aktuellen Studie die 50 prägendsten Lebensmitteltrends bis 2035. Die Wissenschaftler fragten: Was werden wir in 15 Jahren essen? Wie können wir Lebensmittel mit weniger Ressourcenverbrauch herstellen? Und wie soll die Lebensmittelindustrie zukünftig aussehen?

Großes Potenzial liegt, so schätzen die Forscher, in dezentralen und teilweise autonomen Ernährungssystemen. So wird es immer mehr und besser organisierte „lokale Lebensmittel-Kreisläufe“ geben. Dazu zählen etwa der Direktverkauf von Landwirten über Online-Shops und Essenskisten mit saisonalen Produkten. So können Produkte frisch und mit wenig Verpackungsmüll sowie geringen Umweltschäden durch den Transport zum Endverbraucher gelangen. Ein weiterer wichtiger Trend ist „Foodsharing“, also das Teilen von Lebensmitteln. Außerdem dürfte auch „Vooking“ (Vegetarian Cooking), also die vegetarische Küche sowie das Kochen mit veganen und glutenfreien Zutaten, immer wichtiger werden.

„Alternative Proteine“ von Insekten

Jeder Europäer isst im Durchschnitt 65 Kilogramm Fleisch pro Jahr. Doch die Fleischindustrie trägt zu hohen Treibhausgas- und sonstigen Schadstoffemissionen bei. Daher, so stellt die Studie fest, werde Fleisch langfristig durch „alternative Proteine“ ergänzt, einen pflanzlichen Fleischersatz, der entweder im Labor gezüchtet wird oder von Insekten stammt. Die Forscher prognostizieren, nur damit lasse sich der Proteinbedarf einer wachsenden Weltbevölkerung langfristig decken. Weitere Trends sind unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellte Lebensmittel, Aquakulturen, sowie vertikale Landwirtschaft auf Hochhäusern in Metropolen.

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Technologische Entwicklungen, die besonders viel Einfluss nehmen werden, finden sich im Bereich der Präzisionslandwirtschaft. Felder oder Nutztiere werden mit Sensoren genau beobachtet. Auf bestimmte Ergebnisse, etwa Wetterveränderungen, reagieren dann umgehend Feldroboter. Eine wichtige Rolle wird außerdem Nutrigenomik spielen, wobei Erkenntnisse über das menschliche Erbgut auf persönliche Ernährungs- und Gesundheitsempfehlungen angewandt werden.

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KI könnte auch dazu beitragen, die Qualität und Frische von Lebensmitteln zu verbessern und deren Verschwendung verringern, indem Kundenanforderung und -nachfrage bereits im Voraus bekannt sind.
Dr. Björn Moller, FOX-Projektkoordinator am Fraunhofer ISI

Außerdem kommen mit Blick auf „smarte Landwirtschaft“ Blockchain-Technologien sowie Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen dazu. Dr. Björn Moller, FOX-Projektkoordinator am Fraunhofer ISI, erklärte in einer Mitteilung: „KI könnte auch dazu beitragen, die Qualität und Frische von Lebensmitteln zu verbessern und deren Verschwendung verringern, indem Kundenanforderung und -nachfrage bereits im Voraus bekannt sind.“ Das wäre etwa für Supermärkte hilfreich, wenn sie bereits im Vorfeld die passende Menge der benötigten Lebensmittel zum richtigen Zeitpunkt bereitstellen könnten. Moller ergänzte: „Dies ist besonders für den E-Commerce-Bereich relevant, bietet aber auch für lokale Händler ein immenses Potenzial, um in jeder Filiale ein spezifisches, maßgeschneidertes und differenziertes Sortiment anbieten zu können.“

Diese Entwicklungschance könnte gegen Lebensmittelverschwendung helfen. Denn, so heißt es in der Studie des Fraunhofer ISI, rund ein Drittel, sprich 1,3 Milliarden Tonnen, aller weltweit produzierten Lebensmittel wird entweder während der Produktion oder von den Verbrauchern weggeschmissen. Im Globalen Norden landet zehnmal so viel Essen auf dem Müll wie im Globalen Süden. Das zeige, wie ineffizient das aktuelle Nahrungsmittel-System sei. Die Forscher machen jedoch ein wachsendes öffentliches Bewusstsein aus. Dadurch könnten gesellschaftlicher Druck und staatliche Vorschriften zunehmen und letztlich die Prozesse der Produktion und Logistik verbessern, etwa indem Lebensmittel kurz vor dem Verfallsdatum günstiger verkauft werden.

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Ernteerträge gehen mancherorts zurück

Eine weitere Belastung für die globale Ernährungssicherheit ist der Klimawandel – während die Lebensmittelproduktion gleichzeitig zur Verschärfung des Klimawandels beiträgt. Zwischen 2011 und 2050 könnten die Ernteerträge in Indien schätzungsweise um fünf und in Afrika um zwölf Prozent zurückgehen. Eine Lösung könnte laut den Forschern sogenannte „climate-smart agriculture“ (CSA) sein. Durch technologische Innovationen könnte die Produktivität steigen und besser an die veränderten klimatischen Bedingungen angepasst werden, außerdem könnten Treibhausgase reduziert werden.

Die Forschung ist Teil des EU-Horizon 2020-Projekts Fox, das für viereinhalb Jahre mit sieben Millionen Euro ausgestattet ist. Das Projekt Fox (Food processing in a box) soll die Verarbeitung von Obst und Gemüse weg von großindustrieller Herstellung hin zu flexibler und mobiler Produktion durch lokale kleinere Erzeuger bringen. Dabei geht es sowohl um Nachhaltigkeit als auch um Gesundheit. So liegt ein Fokus neben effizienteren Abläufen, Transparenz und Mitbestimmung durch die Produzenten auf einer schonenden Verarbeitung, etwa durch das Trocknen bei niedrigen Temperaturen. Bei Fox arbeiten Universitäten, Forschungseinrichtungen und kleinere bis mittelgroße Betriebe und Verbände zusammen. Mit dabei sind auf deutscher Seite etwa das Deutsche Institut für Lebensmitteltechnik, das Fraunhofer ISI, die Elea Vertriebs- und Vermarktungsgesellschaft mbH oder das Kompetenzzentrum Obstbau-Bodensee.

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