Job und Leben

Grundeinkommen: Pro & Contra

Lesezeit:
2 minuten

5 June 2017

Titelbild: Pixabay / Pexels

Was wäre eigentlich, wenn in Deutschland alle ein bedingungsloses Grundeinkommen bekämen? Ein Pro und Contra

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2 minuten

5 June 2017
Was wäre eigentlich, wenn in Deutschland alle ein bedingungsloses Grundeinkommen bekämen? Ein Für & Wider von Thomas Straubhaar, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg, und Jan S. Vosswinkel, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Nürtingen-Geislingen

Pro

„Ich plädiere seit vielen Jahren für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Durch die Veränderungen, die uns die Digitalisierung der Arbeitswelt derzeit beschert, ist das Thema akuter denn je geworden. Unser Sozialsystem braucht nicht nur graduelle Veränderungen. Eine Revolution ist nötig. Das Bismarck’sche System passt nicht mehr in unsere Zeit. Der Staat muss die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Unternehmen nicht ausbeuterisch vorgehen können. Dafür steht das bedingungslose Grundeinkommen. Es ist liberal, sozial und effektiv. Liberal, weil es dem Einzelnen nicht paternalistisch vorschreibt, wie er sich verhalten muss. Keine Bedingungen für Unterstützung in Not, sondern Geld vom Staat, das die Eigenverantwortung stärkt und die Menschen unabhängig macht. Übrigens auch von Arbeitgebern, die unwürdige Arbeitsbedingungen bieten. Sozial ist das Grundeinkommen, weil es auch in Zukunft mehr Steuern von denen verlangt, die breitere Schultern haben. Je nach Höhe, auf die sich die Politik einigen wird, deckt das Grundeinkommen einen bestimmten Sockelbedarf ab. Insgesamt aber bleibt das Steuersystem progressiv, und wer etwa durch Unfall in Not gerät, kann – ähnlich wie heute – je nach Lage mehr bekommen. Unser derzeitiges System ist zutiefst ungerecht, weil viele von der Sozialversicherungspflicht befreit sind. Nicht zuletzt ist das Grundeinkommen effizient. Wenn alle bedingungslos ein gleich hohes Grundeinkommen erhalten und im Gegenzug alle Einkommen – also auch Kapitaleinkommen – an der Quelle mit demselben Steuersatz belastet würden, erlaubt das eine starke Vereinfachung unseres Steuer- und Sozialsystems und einen Bürokratieabbau, der den Namen verdient. Sicher gibt es auch Alternativen zur Reform des Sozialstaates. Aber an den Ideen eines Grundeinkommens werden sich alle messen lassen müssen.“

Thomas Straubhaar ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg. Zuvor leitete er das Hamburger Weltwirtschaftsinstitut

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Contra

„Das bedingungslose Grundeinkommen ist nicht nur irgendeine Reform des Sozialstaates. Seine Einführung wäre eine Big-Bang-Reform, deren Gesamteffekt nur schwer vorhersehbar ist. So viele Änderungen im Steuer- und Transfersystem gleichzeitig führen zwangsläufig zu unvorhergesehenen Nebenwirkungen, die dann mühsam korrigiert werden müssen. Keine Sozialstaatsreform ist ohne Fehler. Entscheidend wird in der künftigen Diskussion sein, welche Konzepte weiterverfolgt werden. Sollen auch Renten, Eltern- und Arbeitslosengeld von einem Grundeinkommen abgelöst werden? Gibt es die Bereitschaft, dauerhafte Zahlungen auch an Nicht-Hilfsbedürftige zu leisten? Die Vorteile eines Grundeinkommens lösen sich auf, wenn es nicht existenzsichernd ist. Für ein höheres Grundeinkommen wollen einige Befürworter alle Einkommen ab dem ersten Euro hoch besteuern. Doch hohe Steuersätze auf kleine Einkommen mindern den Anreiz, überhaupt arbeiten zu gehen. Derzeit fürchten viele, dass die Digitalisierung ein Heer von Arbeitslosen hinterlässt. Es ist jedoch zynisch, zu behaupten, einige Menschen wären wertlos für den Arbeitsmarkt. Aus Veränderungen können neue Arbeitsplätze entstehen, die die Wertschöpfung bringen, die wir brauchen, um uns um Hilfsbedürftige zu kümmern. Außerdem bringt Arbeit nicht nur Einkommen, sondern Netzwerke, Achtung und Respekt. Die Erwerbsbiografien ändern sich, das Sozialsystem muss dem Rechnung tragen. Ich denke, dass man innerhalb des bestehenden und alles in allem gesellschaftlich akzeptierten Systems darauf reagieren kann. Die Befürworter eines Grundeinkommens haben oft die Vision einer anderen Gesellschaft. Aber einen Wertewandel vorauszusetzen für eine Reform, die noch gar nicht implementiert ist – daran sind schon andere Utopien gescheitert.“

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Jan S. Vosswinkel ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Nürtingen-Geislingen und war zuvor am Centrum für Europäische Politik

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