Mitra Kassai im Bilanzgespräch

„Die Nachmittage sind zum Feiern da“

Lesezeit:
2 minuten

12 June 2019

Mitra Kassai arbeitet in Hamburg als Musik- und Kulturmanagerin und bringt als DJ Rita die Leute zum Tanzen

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2 minuten

12 June 2019
Tagsüber sind die Clubs auf der Reeperbahn leer? Nicht mehr. Seit einem Jahr bringt Mitra Kassai dort nachmittags Senioren zum Tanzen – mit „Oll Inklusiv“, als Initiative gegen Altersarmut und Einsamkeit

Mitra Kassai, Sie bieten seit einem Jahr in Hamburg bunte Nachmittage und Clubbing für über 60-Jährige an. Wollen die Alten noch mal Gas geben?

Absolut. Viele meiner Gäste sagen, dass sie das ganze Leben lang geschuftet und Kinder großgezogen haben. Jetzt haben sie die Zeit, in der sie endlich mal nur an sich denken können. Sie wollen Spaß haben, sich selber fühlen und immer noch aufblühen.

Wie sind Sie auf die Idee zu „Oll Inklusiv präsentiert ‚Halbpension‘“ gekommen?

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Ich engagiere mich seit einigen Jahren ehrenamtlich in Seniorenresidenzen. Dabei habe ich festgestellt, dass etwas gegen die Einsamkeit und die Altersarmut getan werden muss. Also überlegte ich: Ich könnte meine Erfahrungen im Veranstaltungsmanagement nutzen und bunte Nachmittage für die Senioren und Señioritas organisieren.

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Senioren und Señioritas?

Lacht. Rentner hört sich immer so träge und beige an. Dabei sind viele in Wirklichkeit echte Señioritas – bunt, laut und kritisch.

Und mit denen gehen Sie auf die Reeperbahn?

Ja, tagsüber sind die Clubs leer. Warum also nicht reingehen? Denn wo tanzt es sich besser als in Clubs? Inzwischen kommen schon mal über 200 Personen zu den Halbpension-Nachmittagen. Die meisten sind im Schnitt 78 Jahre alt. Aber wir haben auch 89-Jährige, die noch auf der Tanzfläche hotten.

Sie legen als DJ Rita selbst auf. Bei welchen Liedern drehen Ihre Gäste so richtig auf?

Ich lege Boogie, Funk und Soul auf, aber auch Rock ’n’ Roll der 50er- und 60er-Jahre. Besonders beliebt sind Songs wie „YMCA“. Wichtig ist mir: Ich gestalte die bunten Nachmittage so, dass ich auch selbst hingehen will. Deshalb haben wir schlagerfreie Zone. Helene Fischer, Florian Silbereisen oder wie sie alle heißen, gibt es bei uns nicht.

Wie gelingt es Ihnen, Senioren anzusprechen, die von Altersarmut und Einsamkeit betroffen sind?

Die „Halbpension“ kostet keinen Eintritt und wir bieten gratis selbst gebackenen Kuchen an. Möglich machen das Privatspender und ehrenamtliche Helfer. Dadurch sind die Nachmittage für alle offen. Es kommen auch Menschen, die am Existenzminimum knapsen und zuvor kaum noch rausgegangen sind. Selbst ehemalige Obdachlose sind dabei und nehmen wieder am Leben teil. Jetzt kommen sie zur Halbpension und finden Freude und neue Freunde.

Ihre Events finden tagsüber statt. Gehen die Alten lieber früh ins Bett?

Definitiv. Wenn man älter ist, hat man einen anderen Biorhythmus. Die Nachmittage sind zum Feiern da. Wir fangen immer zwischen 12 und 14 Uhr an. Los geht es mit einer Lesung oder einem Konzert. Dann spielen wir Musikbingo und trinken Crémant oder Eierlikör. Anschließend wird wild getanzt. Und um 19 Uhr liegt man wieder auf dem Sofa und denkt: Was für ein schöner Tag!

Sie bieten auch Halbpension-Ausflüge an. Wohin fahren Sie?

Dieses Jahr geht es nach Wacken und zum Summer-Tale-Festival. Wir waren aber auch schon im Molotow beim Comedian Simon Pearce. Mit der kanadischen Hip-Hop-Band „The Lytics“ haben wir auf einer Barkasse getanzt. Und bei den Beginners durften wir eine Backstage-Führung machen und die Band treffen.

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In zehn Jahren ist jeder dritte Bundesbürger über 60 Jahre alt. Gute Aussichten für Ihre Initiative?

Ja, ich denke, wir werden weiter wachsen. Im Sommer organisieren wir mit dem Blog 59Plus eine Veranstaltung in Düsseldorf. Und zum Ende des Sommers expandieren wir nach München. Der Bedarf ist schon jetzt groß. Aber Voraussetzung ist auch, dass wir genügend Unterstützer finden. Also eins nach dem anderen.

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