Gleichberechtigung

Und wie viele Frauen?

Lesezeit:
3 minuten

22 December 2017

Titelbild: Jerry Kiesewetter / Unsplash

Immer mehr Frauen protestieren – zu recht – gegen mangelnde Gleichberechtigung auf Konferenzen, Podiumsdiskussionen, Preisverleihungen und anderen öffentlichen Veranstaltungen

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22 December 2017
Ob Podiumsdiskussion oder Talkrunde im Fernsehen: allzu oft finden sich deutlich weniger Frauen als Männer am Mikro. Aktivisten bemühen sich auf dieses Missverhältnis hinzuweisen, damit solche Veranstaltungen diverser werden

Sind Frauen in der Gesellschaft gerecht vertreten? Wenn man den Twitter-Account @wievielefrauen durchscrollt, gewinnt man den Eindruck, dass dem eher nicht so ist. Die Macher, die auf Nachfrage im Moment noch anonym bleiben wollen, machen nichts anderes als Bilder von Veranstaltungen und Diskussionsrunden zu posten und nach Geschlecht durchzuzählen.

Jüngste Beispiele: Neuer Verwaltungsrat des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen: 25 Männer, 4 Frauen. Diskussionsrunde zu den Außenwirtschafts-Potenzialen der nordrheinwestfälischen-Umweltwirtschaft getwittert unter dem Hashtag ‚#nachhaltiges NRW: 5 Männer, 1 Frau. Börsenverein des deutschen Buchhandels zur Zukunft des Buchmarkts: 4 Männer, 1 Frau, das neue Kabinett in Sachsen: 16 Männer, 4 Frauen.

Klar, scheinbar wahllos Fotos herauszugreifen, wie @wievielefrauen das macht, hält keiner statistischen Überprüfung stand. Und doch zeigt der endlose Stream von Bildern, in welch unterschiedlichen Bereichen völlig selbstverständlich deutlich mehr Männer als Frauen ins Licht der Öffentlichkeit gerückt werden. Von Messen, Veranstaltungen, Fachpublikationen, Podiumsveranstaltungen, Preisverleihungen über Ehrenämter ist alles dabei.

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Überall deutlich mehr Männer

Anderes Medium, gleiches Ergebnis: taz-Autorin Jagoda Marinic hat Talkshow-Formate der öffentlich-rechtlichen-Sender unter die Lupe genommen und kommt zu dem Fazit, dass auch im Jahr 2017 deutlich mehr Männer in ZDF- und ARD-Talkshows statt Frauen ihre Sicht der Dinge der präsentieren dürfen.

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Die Organisation EUPanelwatch, die Veranstaltung speziell in Brüssel beobachtet, kommt zum gleichen Ergebnis. Laut Jahresbericht waren bei insgesamt 380 ausgezählten Debatten nur 33,8 Prozent weibliche Vortragende zu verzeichnen. Genderausgeglichen waren nur 11 Prozent der Panels.

Genauso ernüchternd ist auch der Blick auf das Projekt 50 Prozent, bei dem bislang 474 Veranstaltungen nach dem Geschlechterverhältnis durchgezählt wurden. Von 24.128 Vortragenden insgesamt waren 6377 Frauen. Das entspricht 26,43 Prozent. Das liegt noch unter dem Frauenanteil von nun 27,5 Prozent in deutschen Vorstandsetagen, obwohl DAX-Unternehmen verpflichtet sind, bei Neubesetzungen im Aufsichtsrat sicherzustellen, dass mindestens 30 Prozent der Posten von Frauen besetzt werden. Übrigens: im neu gewählten Bundestag sitzen mehr als doppelt so viele Männer wie Frauen.

Raus aus der zweiten Reihe

Warum ist das ein Problem? Zunächst einmal stellen Frauen die Hälfte der Bevölkerung. Damit sollten sie in einer gerechten Gesellschaft entsprechend repräsentiert sein und teilhaben. Veranstaltungen mit überwiegend oder gar ausschließlich Männern sind einseitig und unvollständig, der Gesellschaft geht dabei eine wertvolle Perspektive und unter Umständen einer weitere gewinnbringende Herangehensweise an ein Problem verloren. Gemischte Teams, das zeigen wissenschaftliche Ergebnisse, erzielen ausgewogenere und damit bessere Beschlüsse. Menschen brauchen sichtbare Vorbilder und Identifikationsfiguren und darunter sollten Frauen gleichermaßen wie Männer vertreten sein.

Die Reaktionen auf die von @wievielfrauen getwitterten Bilder sind oft reflexartig: „Das Geschlecht ist unwichtig, die Qualität muss stimmen“, ist ein gern gebrachter Einwand. Qualität ist natürlich wichtig, keine Frage. Aber in so einem Kommentar schwingt auch die Behauptung mit, es gäbe in diesem oder jenem Bereich keine qualifizierte Frau. (Und mal ganz ehrlich: Ist bei der männlichen Besetzung von Talkshows tatsächlich immer die Qualifikation das Auswahlkriterium?).

Oder, auch gerne genommen: „Wir haben ja eine Frau gefragt, aber die konnte nicht kommen“, heißt es oft von ertappten Veranstaltungsorganisatoren. Das Problem: Wer nur eine einzige Frau fragt, erhöht natürlich das Risiko, dass sie nicht kommen kann.

Gezielt Frauen ansprechen

Die Gründe für das Ungleichgewicht auf Podien und in Diskussionsrunden sind vielfältig. Zum einen sind Frauen nach wie vor seltener in unternehmerischen Führungspositionen als Männer, die natürlich für Vertreter auf Podien häufiger angefragt werden. Das macht es vielleicht schwieriger, eine Referentin zu finden, aber sicher nicht unmöglich.

Veranstalter können und sollten aktiv dazu beitragen, dass dieses Missverhältnis reduziert wird, indem sie bewusst Frauen einladen beziehungsweise explizit den Wunsch nach weiblichen Vortragenden mitteilen oder sich schlicht eine Quote auferlegen.

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Bei der Suche nach Vortragenden hilft beispielsweise die Plattform „Speakerinnen“, auf der sich Expertinnen aus verschiedensten Bereichen präsentieren. Jede Menge Frauen, die bereit sind, auf Konferenzen, Panels, Talkshows zu sprechen. Frauen können sich selbst mit ihren Themen und Referenzen kostenfrei in die Datenbank eintragen und so besser auffindbar werden. Und das sollten sie unbedingt tun. Denn ein Teil der Wahrheit ist sicher, dass viele Frauen dazu neigen, Männern automatisch den Vortritt zu lassen. Aus Scheu, Unsicherheit und anderen Gründen vermeiden sie den öffentlichen Auftritt, der aber für den nächsten Schritt in der Karriere sehr hilfreich sein kann.

Nicht zuletzt können sich natürlich auch männliche Diskutanten solidarisch zeigen. Die „Male Feminists Europe“ machen vor, wie es geht: Bevor sie ihre Teilnahme zusagen, prüfen sie das Geschlechterverhältnis der Talkrunde. Die Teilnahme an reinen Männerveranstaltungen wird abgesagt.

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