Frauen in der Führung

„Nicht warten, bis man entdeckt wird“

Lesezeit:
3 minuten

23 May 2016

Titelbild: Laura by Dita Margarita (CC BY 2.0), Siemens

Die Realität lässt sich nicht leugnen: Es gibt immer noch deutlich weniger Frauen in Führungspositionen als Männer

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23 May 2016
Trotz Frauenförderung und Quote in Aufsichtsräten gibt es in Toppositionen immer noch kaum weibliche Führungskräfte. Woran liegt das? – Enorm hat Janina Kugel gefragt. Ein Gespräch mit Siemens Personalchefin über ihren Weg an die Spitze, Vorurteile und Führungswillen

Frau Kugel, als Personalchefin bei Siemens gehören Sie zu einer weiblichen Elite: Nur fünf Prozent der Vorstandsposten in deutschen Unternehmen werden von Frauen besetzt. Was haben Sie anders gemacht als Ihre Kolleginnen?

Ich bin jemand, der gerne neue Aufgaben und Herausforderungen anpackt. Das hat sicher geholfen. Man muss entschlossen auftreten, Mut zur Veränderung haben und nicht warten, bis man entdeckt wird – das gilt für Männer und Frauen gleichermaßen. Man muss klar kommunizieren, was man will und dazu stehen. Ich habe viel im Ausland gearbeitet – auch in Führungspositionen. Frauenförderung ist in vielen Ländern weniger ein Thema, weil es selbstverständlich ist, dass Frauen genauso wie Männer einen Führungsposten besetzen. Mir wäre es recht, wenn Frauen in Managementpositionen auch in Deutschland endlich als Normalität angesehen würden. Männer werden übrigens nur selten gefragt, wie sie den Sprung in die Managementetage geschafft haben.

Leider lässt sich die Realität aber nicht leugnen: Es gibt immer noch deutlich weniger Frauen in Führungspositionen als Männer. Auch Sie sind bei Siemens als weibliche Führungskraft noch eine Ausnahme. Woran liegt das?

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Da wirken noch viele traditionelle Rollenbilder. Die zu verändern, geht nicht von heute auf morgen. Und gefordert sind letztlich alle: Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Konkrete Maßnahmen zur Frauenförderung gibt es ja bereits. Wir bieten zum Beispiel im Unternehmen spezielle Coachings für Frauen an. Und wir gehen beim Thema Frauen in Technikberufen aktiv in die Frühförderung bei Schülerinnen und Studentinnen. Leider ist bisher nur jeder achte Ingenieur in Deutschland weiblich – da brauchen wir deutlich mehr! Alle Maßnahmen bringen aber wenig, wenn sich nicht zugleich das Verhalten ändert. Viele Entscheidungen werden häufig aufgrund unbewusster Vorverurteilungen getroffen, „unconscious bias“ genannt. Diese psychologischen Mechanismen führen nicht selten zu personellen Fehlentscheidungen: Wir alle neigen dazu, Menschen in Schubladen zu stecken und beispielsweise bei Bewerbungen subjektive Vorannahmen und persönliche Präferenzen zu Grunde zu legen. Gerade weil diese Verhaltensmuster unbewusst ablaufen, muss man lernen, sie zu erkennen und zu ändern. Um die Unconscious Bias-Spirale zu durchbrechen, haben wir bei uns spezifische Trainings eingeführt, die unsere Recruiter und oberen Führungskräfte durchlaufen müssen.

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Nicht jeder strebt eine Führungsposition an, denn das bedeutet neben mehr Verantwortung auch private Abstriche. Vor allem die Generation Y interessiert sich immer weniger für Führungsrollen. Warum lohnt es sich dennoch, verantwortungsvolle Jobs zu übernehmen?

Jede Entscheidung zieht Kompromisse nach sich. Ob sie nun in einer Managementposition sind oder nicht. Und man muss sich dann fragen, welchen Kompromiss man eingehen kann. Sobald man weiß, was man will, muss man die Rahmenbedingungen klären. Ich wollte Rollen, in denen man gestalten kann, Dinge bewegen und beeinflussen. Zugegebenermaßen geht das manchmal besser, wenn man eine leitende Funktion hat. Führung bedeutet Verantwortung. Das kann auch eine Belastung sein, denn ich muss auch harte Entscheidungen treffen. Aber Führung bereitet mir auch meist viel Freude.

Auch beim Thema Vielfalt sind andere Länder weiter als Deutschland. Was muss sich hierfür noch in Gesellschaft und Unternehmen ändern?

Vielfalt bezieht sich ja nicht nur auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau, sondern schließt auch Menschen mit unterschiedlichen religiösen Hintergründen, sexuellen Orientierungen oder mit Behinderung ein. Der entscheidende Punkt ist, dass Vielfalt ein Erfolgsfaktor ist und das wird oft noch verkannt. Wenn alle Mitarbeiter eines Teams den gleichen Hintergrund haben, geht es vielleicht recht harmonisch zu, ob aber immer die besten Ideen dabei herauskommen, ist eine andere Frage. Wir leben in einer zunehmend vernetzten und globalisierten Welt, Projekte werden über Landesgrenzen realisiert, von Kollegen verschiedener Kulturen und Herkunft. Dafür brauchen wir Aufgeschlossenheit und Flexibilität. Ich bin überzeugt, dass die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens steigt, wenn wir aktiv unterschiedliche Personen und Kulturen zusammenbringen. Dadurch werden mehr Chancen erkannt und besser genutzt. Auch Innovationen werden durch Vielfalt angeschoben.

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Echte Vielfalt bedeutet auch, dass sich Unternehmens- und Führungskulturenkulturen ändern. Was muss ein Manager heutzutage mitbringen, um erfolgreich zu führen?

Digitalisierung, globale Vernetzung und Geschwindigkeit verändern unsere (Arbeits-)Welt fundamental. Mitarbeiter und Führungskräfte müssen bereit sein, lebenslang zu lernen. Führung wird insgesamt horizontaler, also weniger hierarchisch und stärker teamorientiert. Es reicht heute nicht mehr, Mitarbeitern zu sagen, was sie zu tun haben, man muss sie einbinden und überzeugen, ihnen Gestaltungsfreiräume geben. Daher schauen wir bei Siemens in der Bewertung einer Führungskraft nicht nur darauf, ob sie ihre Ziele erreicht, sondern auch wie. Soziale Netzwerke gewinnen an Bedeutung, um offen zu kommunizieren und sich auszutauschen – über Abteilungsgrenzen und Hierarchiestufen hinweg. Ich selber nutze diese in meiner täglichen Arbeit. So bekomme ich direktes Feedback von Mitarbeitern; das finde ich extrem wertvoll, denn oftmals hören Führungskräfte nur noch „gefilterte Botschaften und nicht mehr die ehrliche Meinung der Mitarbeiter“. Über social networks können Sie zudem Wissensträger einbinden – innerhalb und außerhalb des Unternehmens. Dadurch können wir flexibler auf Veränderungen reagieren – und darauf kommt es an.

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