Trans-Dj über Diversität in Clubszene

„Geld ist ein wichtiger Teil von Inklusion“

Lesezeit:
5 minuten

17 February 2020

Bild: No Shade

Der Brasilianer Folly Ghost ist DJ, trans und Teil des Berliner Kollektivs No Shade. Hier werden Frauen, nicht binäre Personen und Transmenschen kostenlos zu DJS ausgebildet.

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17 February 2020
Die Wurzeln von elektronischer Musik und Dance Culture sind queer und bunt. In den Clubs der internationalen Hauptstädte legen aber meistens weiße und männliche DJs auf. Das „No Shade“-Kollektiv in Berlin versucht, die Musikszene diverser zu machen. Einer von ihnen ist Tres, alias Folly Ghost, ein Transgender-DJ aus Rio de Janeiro.

Die DJs vom No-Shade-Kollektiv aus Berlin haben dieses Jahr ihr erstes Boiler-Room-Set gespielt, 2019 legten sie auf der Afterparty der „No Fotos On The Dance Foor“-Austellung im C/O Berlin und bei den Feierlichkeiten zum dreißigjährigen Jubiläum des Mauerfalls auf. Keine schlechte Bilanz für ein Kollektiv, das es erst seit knapp drei Jahren gibt. No Shade reicht es aber nicht, Erfolg zu haben. Sie wollen eine Bühne für alle schaffen.

Tres, du gehörst zum „No Shade“-Kollektiv. Was ist euer Anliegen?

No Shade ist eine Party-Serie und ein Mentoring-Programm für Frauen, nicht-binäre Personen und Transmenschen, die DJs werden wollen. Wir wollen Gleichberechtigung und Zugang für diese Menschen in der Szene. Und wir wollen natürlich, dass sie großartige Sets abliefern. Das Kollektiv wurde vor knapp drei Jahren gegründet. Ich bin Anfang 2019 beigetreten. Wir sind zwölf DJs und eine VJ (Videokünstlerin, zuständig für Licht, Videokunst, die visuellen Momente der Show, Anm. d. Red.) mit sehr diversen Hintergründen, das ist die Kerngruppe. Unsere Alumni bilden die erweiterte No-Shade-Familie.

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Das Mentoring-Programm dauert etwa sechs Wochen und ist kostenlos. Man wird von Linnea, unserer Gründerin, in musikalische Grundlagen, Komposition, Equipment und Software eingeführt. Dann beginnen individuelle Sessions, wo zweimal die Woche alle Teilnehmenden persönlichen Unterricht abwechselnd bei jeweils einem anderen Mitglied des Kollektivs haben, sodass sie von uns allen verschiedenen Input und Inspirationen bekommen. Seit Kurzem vermitteln wir auch, wie man PR macht. Das ist wichtig, um gebucht zu werden. Die Qualität der Musik ist entscheidend, aber ohne Netzwerk und gute Kommunikation nach außen bringt sie dir leider nichts.

Du bist in Rio de Janeiro geboren und aufgewachsen. Wann und wieso bist du nach Berlin gekommen?

Es war kurz, bevor der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro die Macht übernommen hat. Mir wurde klar, dass ich nicht in Rio bleiben kann. Berlin ist für mich im Moment der beste Ort. Aber auch hier muss noch viel getan werden, was Intersektionalität angeht. Wir müssen gemeinsam kämpfen, um einen Platz zwischen all den weißen, männlichen Cis-DJs zu bekommen, die die Szene seit sehr langer Zeit dominieren. Wir erleben immer wieder, dass Kuratoren sagen: Hmm, okay, lass uns mal eine Person im Line-up haben, die einer Minderheit angehört. Das reicht nicht. Wir brauchen ein wirklich diverses Line-up. Es reicht auch nicht immer nur über die eigene Diskriminierung zu sprechen. Ich werde oft gebeten, über Diversität zu reden, sage aber: Ladet mich ein, um über Musik zu sprechen!

Also reden wir über Musik. Wie sehen deine Sets aus?

Ich spiele Baile Funk und Bass und mixe das mit vielen Musikrichtungen. Ich konzentriere mich nicht nur auf ein Genre. Ich will einfach energetische Sets spielen, die tolle Rhythmen haben. Ich mixe gerne Afro-Beats, Moombahton (eine Mischung aus Reggaeton und House, Anm. d. Red.) oder Ballroom-Music rein. Aber was du immer von meinen Sets erwarten kannst, ist Baile Funk und Bass.

Wo ist dein nächster Gig?

Ich spiele regelmäßig auf der Bodysnatch Party im Berliner Club Monarch. Ich liebe diese Party, sie ist immer Dienstags, deshalb beginnt sie früh, man zahlt nur zwei Euro Eintritt. DJ Sapphic Fagot veranstaltet diese sehr diverse Party-Reihe, sie ist aus New York und ist eine wirklich coole DJ und Musikerin.

Dennoch sind weibliche Party-Hosts eine Seltenheit. Auf Festivals sieht es nicht besser aus, als im Clubleben. Einmal war ich auf einem House-Festival, auf dem alle DJs Cis-Männer waren, abgesehen von einer Frau…

…und ich bin mir sicher, du hast dann Leute vor dir sagen hören: Tjaaa, wir wissen ja alle, wie sie es in das Line-up geschafft hat, nur weil sie die Quotenfrau ist.

Genau.

…aber natürlich hat sie den Gig bekommen, weil sie wahrscheinlich großartig ist.

Die Cis-Männer wollten den Kuchen bisher scheinbar nicht wirklich teilen. Hast du das Gefühl, dass sich das langsam ändert?

Die Leute, die über Line-ups entscheiden, wollen nicht mit Sexismus und Rassismus oder irgendeiner Form von Diskriminierung assoziiert werden. Aber gleichzeitig sind sie nicht bereit, die Arbeit auf sich zu nehmen, die es braucht um die Reproduktion dieser Muster zu verhindern. Sie gehen in ihre sozialen Netzwerke und posten: Hey Leute, kann mir irgendjemand Trans-DJs oder weibliche DJs empfehlen? Und ich denke: Nun, warum bezahlst du uns nicht für diese Expertise? Das ist die Arbeit, die eigentlich du machen solltest. Wenn du sie nicht machen kannst, weil du nicht den Horizont dafür hast, finde Leute wie uns und bezahle sie dafür, dass sie dein Line-up zusammenstellen. Ich sehe ständig, dass sie von uns erwarten, dass wir unser Wissen umsonst teilen. Geld ist aber ein wichtiger Teil von Inklusion. Geld und Arbeit bedeutet Zugang. Benutze Google und finde uns und bezahle uns für eine bessere Auswahl.

Du meinst also, dass die Szene in den letzten Jahren nicht wirklich inklusiver geworden ist.

Leider nein. Nicht-binäre Identitäten sind erst seit relativ kurzer Zeit Mainstream. Die Leute verstehen und realisieren sie nur langsam.

Wie steht es mit der Inklusion von Frauen?

Ich finde, das ist ein bisschen besser geworden, aber bei Weitem nicht genug. Und die Leute verstehen immer noch nicht: Frauen sind nicht nur Cis-Frauen, und Transmänner wiederum sind keine Frauen. Ich wurde bereits zu Veranstaltungen eingeladen, die auf Frauen ausgerichtet sind. Das hat mich verletzt, denn ich bin nicht weiblich. Deshalb ist es uns als Kollektiv wichtig hervorzuheben, dass wir wirklich nicht nur für Cis-Frauen da sind.

Was können Club- und Musikliebhaber tun, um das zu ändern? Würdest du dir wünschen, dass sie nicht mehr auf Festivals und Events gehen, die nur homogene Acts haben?

Man kann viel tun. Ein Beispiel wäre, die Leute öffentlich dafür zur Rechenschaft zu ziehen: Hey, warum hast du nur weiße Dudes in deinem Line-up? Ich kann dir diese und jene Kurator*innen empfehlen, die du bezahlen kannst, um es besser zu machen. Bitte gib dir etwas Mühe, Leute mit anderen Hintergründen kennenzulernen. Sie haben so viel zu bieten! Sei offen für diese andere Welt, die so voller Talent ist! Ansonsten wünsche ich mir wirklich, dass wir uns weniger auf das „Lasst uns kämpfen“ konzentrieren, sondern mehr auf Empowerment. Wir müssen nicht Personen in den Boden stampfen. Sondern das Scheinwerferlicht auf andere Personen lenken, die schon lange da sind, aber übersehen werden.

Trans-DJ-Legende Honey Dijon hat einmal gesagt, dass die Leute vergessen haben, dass Dance Culture und elektronische Musik ursprünglich vor allem von queeren, nicht-weißen Menschen geprägt wurde.

Ja, sie haben es vergessen. Es ist genau wie mit Madonna und Voguing (eine aktivistische Performance, die Posen aus der Modefotografie imitiert, Anm. d. Redaktion). Leute dachten in den Neunzigern, sie hat das erfunden, aber es waren queere, nicht-weiße Personen, die das erschaffen haben. Doch sie hat es in den Mainstream gebracht. Und so ist es auch mit elektronischer Musik. Der Mainstream nimmt vor allem weiße Männer wahr, schreibt Artikel über sie und visualisiert sie. Das ist so lange passiert, bis die Szene vor allem mit Menschen verbunden wurde, die dasselbe Geschlecht und dieselbe Hautfarbe haben. Diese Leute profitieren heute von etwas, das sie nicht erschaffen haben, sie profitieren davon, dass es Stück für Stück von anderen Menschen weggenommen wurde.

Hast du ein Vorbild oder Idol, das dich inspiriert hat, deinen Platz in dieser Welt in Anspruch zu nehmen?

In Brasilien haben mir viele Menschen geholfen. Eine von ihnen ist Érica Alves, sie ist DJ und Produzentin aus Niterói. Sie hat viele kostenlose Workshops für Frauen und nicht-binäre Menschen gegeben, an denen auch ich teilgenommen habe. Carolina Ribeiro ist eine andere tolle Person, die diese Workshops angeboten hat. Ich baue ihre Tracks oft in meine Sets ein. Es ist mir wirklich wichtig, diese Leute zu unterstützen und zu repräsentieren und mit dem No Shade Collective kann ich ihre Arbeit selbst weitergeben.

Was macht No Shade so erfolgreich?

Wir bilden unsere Leute nicht nur aus, sondern am Ende jedes Mentoring-Programms treten die Absolvent*innen gemeinsam mit uns auf einer No-Shade-Party auf. Denn es gibt tolle Workshops da draußen, aber du absolvierst sie und dann wirst du nie gebucht. Wie sollst du je gebucht werden, wenn du davor noch nie gespielt hast? Durch unsere Abschluss-Party geben wir den Mentees mit einer Debüt-Party die Gelegenheit, gesehen zu werden. Sie bekommen durch unsere Ausbildung schon ein gewisses Qualitätssiegel, auf das wir stolz sind. Wir wollen sie sichtbar machen.

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Was war bisher euer größter Erfolg?

Wir wurden zu den Feierlichkeiten zum 30-jährigen Jubiläum des Falls der Berliner Mauer eingeladen, um dort zu spielen. Es war so ein Spaß. Juju, unsere VJ, hat großartige Visuals gemacht, ganz wunderbare Projektionen. So ein Riesenpublikum zu haben, war toll.

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