Ein Code für alle

Wie Blockchain die Welt gerechter machen kann

Lesezeit:
5 minuten

26 November 2019

MORELIGHT/PIXABAY

Blockchain macht mehr möglich als nur Kryptowährungen. Regierungen und Start-ups weltweit wollen die Technologie für ökologische und soziale Projekte einsetzen.

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26 November 2019
Viele sehen in Blockchain ein Instrument, das unser ganzes Finanzsystem revolutionieren könnte. Die Technologie birgt aber noch mehr Potenzial: Sie könnte soziale und ökologische Probleme lösen.

Eine komplizierte Kette aus Daten, die für eine digitale Währung benutzt wird? Für Menschen außerhalb der Tech-Blase ist Blockchain meist nur ein Synonym für die großen Kryptowährungen wie Bitcoin, Ether und Libra. Eine Technologie, die schwer zu verstehen ist und sehr schnell vom Finanzmarkt gekapert wurde. Dabei ist Blockchain viel mehr als bloß die Basis von digitalem Geld: Sie kann in nahezu jedem Bereich unserer Gesellschaft eingesetzt werden. So wurde 2017 bereits eine Blockchain für eine nachhaltige und grünere Stromversorgung in New York angewendet.

Was ist die Blockchain?

Sehr vereinfacht betrachtet, ist die Blockchain eine dezentrale Datenbank, in der Daten wie zum Beispiel finanzielle Transaktionen regelmäßig, lückenlos und fälschungssicher in einer langen Kette aus Datenblöcken gespeichert werden. Da diese Daten dezentral auf den Rechnern aller Teilnehmer in verschlüsselten Blöcken abgelegt werden, ist es sehr schwierig, sie zu manipulieren, ohne dass alle anderen Beteiligten der Blockchain es auch merken.

Aber welche anderen Nutzungsmöglichkeiten gibt es, die sich nicht auf Rendite, sondern einen Mehrwert für die Gesellschaft konzentrieren? In den vergangenen Jahren sind unzählige Initiativen, Start-ups, Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen entstanden, die sich genau mit dieser Frage beschäftigen. Hunderte davon haben sich in weltweiten Netzwerken wie „Positive Blockchain“ und „Climate Chain Coalition“ vernetzt, ihre Zahl wächst stetig.

Blockchain kann die Transparenz von Lieferketten verbessern

Ein Teil dieser Firmen will Blockchain dafür nutzen, Lieferketten transparenter zu machen. Der Herstellungsprozess eines Produktes ist heutzutage so komplex und global, dass die Herkunft aller Bestandteile oft nicht genau nachgeprüft werden kann. Das will das deutsche Unternehmen „CircularTree“ ändern: „Unser erstes System heißt Sustainblock. Das ist eine Blockchain-basierte Lösung, mit der wir Informationen von Minen zu den Erstausrüstern, zum Beispiel Hersteller von Handys oder Autos, transportieren“, sagt Gunther Walden, Mitgründer von CircularTree. 

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„In vielen Ländern in denen Mineralien abgebaut werden, die letztlich auch in Deutschland eingesetzt werden, gibt es Berichte über Menschenrechtsverletzungen und gefährliche Arbeitsbedingungen, insbesondere im Kleinbergbau.“ Über das Auditieren der Mienen könne man mittels Blockchain Vorfälle von Menschenrechtsverletzungen beim Abbau von Mineralien dokumentieren und die Information ohne Umwege direkt zu allen Beteiligten transportieren. „Sollte es zum Beispiel in einer Mine zu Berichten über Unregelmäßigkeiten kommen, so werden diese Informationen über die Blockchain ohne Umwege direkt an die Erstausrüster weitergegeben. Dieser kann dann entsprechende Maßnahmen veranlassen um sicherzustellen, dass gegebenenfalls festgestellte Verstöße abgestellt werden“, sagt SustainBlock-Projektleiter Sebastian Galindo. Im Moment testet CircularTree das Verfahren mit einem Automobilhersteller, bei dem die Lieferkette von den Minen bis zum Hersteller mittels einer Blockchain nachverfolgt wird. Das Gestein aus den Minen wird mit einem Barcode versehen und in der Blockchain wird festgehalten, wann genau und wo genau, wie viel Gestein verschifft wurde. 

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„Viele Unternehmen wollen keine vollständige Transparenz der Lieferkette.”

Mit dem zweiten System, das CircularTree gerade entwickelt, soll der tatsächliche CO2-Fußabdruck eines Produktes auf dieselbe Weise getrackt werden. „Es gibt heute viele große Firmen und Marken, die ankündigen, dass sie bis dann und dann CO2-neutral sein wollen“, sagt Walden. „Aber nur weil eine Firma selbst CO2-neutral ist, ist es ihr Produkt noch lange nicht.“ Dafür müsste man zum Beispiel in der Textilbranche alle Vorlieferanten tracken, jeden Produktionsschritt und jeden Transportweg genau nachvollziehen können. In der Gegenwart berechnen Firmen laut Walden den CO2-Footprint nur mit Durchschnittswerten. 

CircularTree will die echten Werte durch eine genaue Verfolgung mittels Blockchain ermitteln, sodass die Designer die Möglichkeit haben, ihre Lieferanten nach ihrem tatsächlichen CO2-Fußabdruck bewerten können. „Wir gehen davon aus, dass CO2-Neutralität irgendwann ein wichtiges Entscheidungskriterium sein wird, nachdem Firmen ihre Lieferanten auswählen. Dadurch, dass wir den Vergleich von Lieferanten ermöglichen, wollen wir den CO2-Fußabdruck von Lieferketten langfristig senken.“

Die größten Herausforderungen bei diesen Projekten sieht Walden im Moment nicht in der Technologie der Blockchain selbst, sondern bei der Etablierung der neuen Prozesse. Die Unternehmen hätten Bedenken, Vorteile wie Kundenbeziehungen und Betriebsgeheimnisse zu verlieren, wenn jeder Einsicht in ihre Supply-Chain hätte. Daher muss sichergestellt sein, dass bestimmte Informationen nur selektiv geteilt werden.

Blockchain für eine digitale Identität

Eine andere Herangehensweise an die Technologie hat der Unternehmer Balázs Némethi. Der 30-Jährige Ungar hielt sich gerade in Norwegen auf, als Victor Orban beschloss einen Zaun gegen Geflüchtete an der ungarischen Grenze zu errichten. „Da wusste ich, dass ich irgendwas tun muss“, sagt Némethi. Er gründete das Unternehmen Taqanu

Taqanu möchte die Blockchain-Technologie dafür nutzen, den mehr als 1,5 Milliarden Menschen, die weltweit keine Papiere besitzen, einen Zugang zu Sozialleistungen und Finanzierungsmöglichkeiten zu schaffen. „In Europa haben 70 Millionen Menschen nicht einmal ein Bankkonto. In den USA sind es ungefähr 40 Millionen. In Afrika sind die Zahlen noch gravierender,“ sagt Némethi. Für diese Menschen möchte er mittels Blockchain eine digitale Identität, eine „Digital ID” erschaffen, die es ihnen ermöglichen soll, ein solches Konto zu eröffnen. Der Name des Unternehmens stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet „in Sicherheit sein.“

Eine digitale ID auf Basis von Blockchain könnte Millionen von Menschen Zugang zu einem Konto und Sozialleistungen ermöglichen. BILD: UNSPLASH

Aber wie sähe eine solche digitale Identität aus? In der Identitäts-ID von Taqanu sollen zum Beispiel Daten, die Nutzer in den sozialen Medien hinterlassen, analysiert werden und daraus eine Art „Identität“ erstellt werden, die für Banken glaubwürdig ist. Nach und nach sollen auch andere Identitätsdokumente, wie etwa Führerscheine und Ausbildungszeugnisse, dazu kommen.

Diese Daten sollen auf solche Weise in einer Blockchain gespeichert werden, dass der Nutzer selbst entscheiden kann, wie viele von diesen Daten er gegenüber wem freigibt. „Privatsphäre ist bei einer digitalen ID der heikelste Punkt“, sagt der Gründer. Die zweite große Herausforderung sind die politischen Hürden, die man überwinden muss, um eine solche ID staatlich anerkennen zu lassen: Die Austellung eines Identifikationsdokumentes lag bislang schließlich fest in staatlicher Hand. 

Im Moment gibt es eine Regierung, die mit Taqanu in Verhandlungen steht, und die Némethi noch nicht nennen darf. Auch die Banken sind gegenüber dem System skeptisch. „Für Banken sind Geflüchtete und papierlose Menschen keine rentable Kundschaft. Deshalb interessieren sie sich schlichtweg nicht für sie“, sagt Némethi. Daher ist Taqanus Ziel, langfristig selbst eine Banklizenz zu erhalten. 

Kryptowährung, aber anders

Wenn es darum geht, wirtschaftlich schwache Bevölkerungsgruppen wie Geflüchtete durch Blockchain zu stärken, stößt man unweigerlich auch wieder auf das Thema Kryptowährungen – jedoch in einem anderen Kontext. Die Unternehmerin Maya Parbhoe aus Suriname zum Beispiel versucht mit ihrer Kryptowährung „OuroX“ Menschen in Lateinamerika und der Karibik einen besseren Zugang zu fairen und transparenten Finanztransaktionen zu geben. Auf kleinerer Ebene gibt es weltweit die sogenannten „Community Currencies“, alternative Blockchain-basierte Währungen, die sich stärker auf lokale Kontexte und Bedürfnisse konzentrieren, als Riesen wie Bitcoin, und dabei vor allem einen sozialen Ansatz haben.

„Die Blockchain kann kein Allheilmittel für jegliches Problem sein.“
Franz von Weizsäcker, Leiter des Blockchain Labs der GIZ

Regierungen weltweit sind unterdessen damit beschäftigt, ihre eigenen Blockchain-Strategien zu entwickeln. In Deutschland wird in dem „Blockchain Lab“ der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) mit der Technologie experimentiert.

„Wir wollen das Potenzial von Blockchain und verwandten Technologien für die Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung nutzen“, sagt Franz von Weizsäcker, der Leiter des Labs.  „Wir arbeiten zum Beispiel an der Rückverfolgbarkeit von fair produziertem Kaffee einer Frauenkooperative in Ruanda und einem internationalen Hackathon, durch den Lösungen für die bessere Energieversorgung der nigerianischen Bevölkerung ermöglicht werden soll. In Südostasien setzen wir ein Projekt um, in dem wir durch Blockchain die Authentizität von Bildungsnachweisen verifizieren wollen, um den weit verbreiteten Fälschungen von solchen Dokumenten entgegenzuwirken.“

Von Weizsäcker glaubt jedoch nicht, dass es sinnvoll ist, zu viel von der Technologie zu erwarten. „Oft führen voreilige Schlüsse zur Anwendung in Bereichen, die noch nicht die technologische Infrastruktur dafür bieten. Wir betrachten Blockchain lediglich als eine Technologie des größeren Ganzen. Die meisten Projekte der internationalen Zusammenarbeit benötigen weiterhin einen starken Fokus auf grundlegende Digitalisierungs- und Governance-Aspekte, um nachhaltige Entwicklung wirklich Realität werden zu lassen.“

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So stellte das Team bei einem Projekt in Bangladesch fest, dass man neben der Blockchain auch Apps, Transparenzplattformen, und vieles mehr benötige, um einen nachhaltigen Lösungsumsatz zu entwickeln. „Blockchain kann kein Allheilmittel für jegliches Problem sein“, sagt von Weizsäcker.

Ein besonderes Beispiel für die Anwendung von Blockchain auf staatlicher Ebene ist der europäische Mikrostaat San Marino: Hier hat die Regierung gemeinsam mit dem Blockchain-Unternehmen „VeChain“ und der DNV GL Business Assurance Group AS das „San Marino Low Carbon Ecosystem“ eingerichtet. Die Plattform soll umweltfreundliches Handeln der Bürger dadurch fördern, dass sie sogenannte Utility-Token, eine Art digitaler Gutschein, für Leistungen wie Wassereinsparung, ökologische Abfallentsorgung und Abfallmanagement vergibt. Die Token stellen eine Belohnung da, die wiederum für bestimmte Dienstleistungen eingetauscht werden können. Das Land möchte laut einer offiziellen Mitteilung mithilfe des Blockchain-Bonussystems das erste „emissionsfreie Land der Welt“ werden.

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