Aboriginals und die Buschfeuer
„Wir wissen am besten, wie man Australien beschützt”
4 minuten
17 January 2020
TITELBILD: FIRESTICKS
Teilnehmer*innen eines Firesticks-Workshops im australischen Camp York im 2019. Sie lernen die Grundlagen des „Cultural Burning”, den traditionellen Umgang mit Feuer der Indigenen Australiens.
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17 January 2020
„Feuer ist nicht der Gegner. Feuer muss benutzt werden, um sich um ‘Land’ zu kümmern.” Oliver Costello klingt erschöpft, als er diesen Anruf entgegennimmt. Seit zwölf Stunden arbeitet er ununterbrochen in seinem Büro im australischen Bundesstaat New South Wales. Wenn Costello „Land” sagt, meint er nicht die Nation Australien. Er meint auch nicht Land im Sinne von Raum oder Boden.
Das Wort „Land” wird von den Indigenen Australiens benutzt, um sowohl ein Ökosystem, als auch den spirituellen Raum, der mit diesem Ökosystem verflochten ist, zu beschreiben: Es geht um die Beziehung zwischen Mensch, Land, Tieren und Pflanzen. In diesem Verständnis hat der Mensch eine Verantwortung, sich um dieses sensible Ökosystem zu kümmern: Feuer spielt dabei eine zentrale Rolle.
Als „Cultural Burning” werden die uralten Techniken der Aboriginals bezeichnet, kontrollierte Feuer zu legen, gefährliche Brände zu verhindern, mit Feuer so umzugehen, dass das Land gesund bleibt. Nun, da seit Monaten verheerende Brände in Australien wüten, ist das Land jedoch verwüstet.
Feuer kontrollieren, nicht bekämpfen
Um Buschfeuer zu verhindern, erklärt Costello, legen die Aboriginals regelmäßig im Jahr kontrollierte Feuer, die langsam und kontinuierlich bestimmte Pfade entlang brennen. Diese Feuer sollen sogenanntes „schmutziges” Land sanft abbrennen. Damit sind vor allem Büsche und Pflanzen gemeint, von denen sich natürliche Buschbrände nähren. Das soll unkontrollierbare Wildfeuer abwenden.
Außerdem wird das Feuer klein gehalten, damit die Hitze die Pflanzensamen nicht zerstört und sich die Natur sich nach dem Abbrennen schnell erholen kann. „Es geht immer darum, in erster Linie die Pflanzen und Tiere zu beschützen”, sagt Costello. In seiner Organisation Firesticks Alliance Indigenous Corporation wird die Praxis des „Cultural Burning” in Workshops unterrichtet und weitergegeben. Den Umgang der australischen Regierung mit den Buschfeuern empfindet er als ignorant.
„Wir sollten die Leitung des Feuermanagements übernehmen”
„Die westliche Art Feuer zu bekämpfen scheint auf den ersten Blick effektiv, sie ist es aber nicht. Sie bringt die gesamte Natur aus dem Gleichgewicht, sie ermordet unzählige Tiere und Pflanzen. Wir sind verzweifelt, weil wir mit diesen Wesen in Verbindung stehen, sie sind unsere Familie und unsere Totems und wir können ihnen nicht helfen.” Die Einstellung der Regierung bezeichnet er als „kolonial” und „rassistisch”
„Die australische Regierung unterstützt uns nicht, sie ignoriert unsere Anfragen seit Monaten. Dabei sollten wir die Leitung des Feuermanagements übernehmen. Wir wissen am besten, wie man dieses Land beschützt.”
Auf Anfrage von enorm bei der australischen Regierung gab die Abteilung für „Aboriginal Affairs and Reconcilation” folgendes Statement heraus: „Der Schutz und die Instandhaltung von Aboriginal Land ist eine Priorität für die australische Regierung und wir werden mit der Aboriginal-Gemeinde zusammenarbeiten, um es zu erhalten.”
Geld aus dem SA Emergency Relief Fund, der von der Regierung vor kurzem ins Leben gerufen wurde, um den Opfern der Feuer finanzielle Unterstützung zu bieten, gehe auch an Aboriginals. Außerdem sei bereits eine Million Dollar Kangaroo Island zur Verfügung gestellt worden, eine Region, in der viele Aboriginals leben und die besonders hart von den Bränden getroffen wurde. Über die Praxis des Cultural Burning und die mangelnde Inklusion der indigenen Expertise bei der Feuerbekämpfung wollte sich die Regierung gegenüber enorm nicht äußern.
Für Firesticks ist es jedoch essentiell, dass in die Zukunft investiert wird, und nicht nur in die Schadensbegrenzung nach der Katastrophe. Außerdem empfinden sie es als arrogant, wenn von „Aboriginal Land” gesprochen werde.
Nationale Feuerregimenter
„Alles Land in Australien ist eigentlich Aboriginal Land”, sagt Jessica Wegener, die ebenfalls für die Organisation arbeitet. „Um Land permanent zu schützen, muss es fortwährend richtig behandelt werden, aber das ist durch die Kolonialisierung unmöglich geworden”, erklärt sie. Das Land sei sowohl durch den westlichen Einfluss als auch den daraus resultierenden Klimawandel vergiftet. Firesticks sammelt derzeit Gelder, um ein nationales Training im ganzen Land zu organisieren, das langfristig zu der Etablierung von permanenten Feuerwehr-Regimenten führen soll. Über eine Crowdfunding-Kampagne versuchen sie derzeit 100.000 Dollar zu sammeln.
Über 100 bei Firesticks akkreditierte „Feuer-Praktizierende” sollen dazu ausgebildet werden, das Land zu revitalisieren und künftige Katastrophen zu verhindern. „Land” sei jedoch in jeder Region Australiens verschieden, erklärt Wegener. „Nur lokal ausgebildete Gruppen können sich daher um das ihnen vertraute Land kümmern.”
Erfolgreiche Kooperation zwischen Aboriginals und regionaler Feuerwehr
Laut Firesticks gibt es in Australien auch zahlreiche nicht-indigene Gemeinden und Feuerwehren, mit denen die indigenen Feuermanager sehr gute Beziehungen pflegen, die ihre Expertise wertschätzen und auch an den Workshops von Firesticks teilnehmen.
Auf die Frage, ob denn jemand, der nicht zu den Aboriginal People gehört, wirklich in der Lage sei, die Techniken des Cultural Burning zu lernen, antwortet Costello ausweichend: „Wir teilen gerne unser Wissen, aber es ist nicht möglich, alles Wissen mit jedem zu teilen. Denn es ist etwas Heiliges. Bevor man es wirklich lernen kann, muss man sehr viele andere Dinge wissen. Wir haben strenge Initiations-Rituale, das spirituelle Wissen ist sehr komplex. Aber deshalb ist es ja umso wichtiger, dass wir die Einsätze leiten.”
Es gibt Beispiele, die zeigen, wie effektiv es sein könnte, wenn westlich ausgebildete Feuerwehren mit Cultural-Burning-Experten zusammenarbeiten würden: Michelle Aleksandrovics Lovegrove vom „New South Wales Aboriginal Land Council” verweist auf Anfrage auf einen Brand im März 2018 in New South Wales: Zwischen der Stadt Bega und der Küstenstadt Tathra brannten sechs Monate lang 1000 Hektar Land durch Buschfeuer ab, mehr als hundert Häuser wurden zerstört.
71 Hektar von diesem Land gehören zum Bega Local Aboriginal Land Council. Die lokale Feuerwehr und zahlreiche Freiwillige taten sich 2017 mit Cultural Burning-Praktizierenden zusammen, um ihre Methoden und ihre Ausrüstung zusammenzulegen: Ein halbes Jahr nach dem Brand von 2018 waren die Flächen, die von den Aboriginals behandelt worden waren, bereits wieder ergrünt, während das nicht mit Cultural Burning behandelte Land immer noch schwarz und leblos war. Das berichtet ABC, der öffentlich-rechtliche Sender Australiens. Daraufhin kam es 2018 zu weiteren Cultural Burning-Aktionen, damit das Land sich besser erholen könne. Cultural Burning unterliegt in Australien im Regelfall strengen Restriktionen. Nur in einzelnen Nationalparks und auf privatem Land darf die Praxis ohne Genehmigung der Regierung angewendet werden.
Auch westliche Wissenschaftler unterstützen die Praxis des Cultural Burning
Die BBC veröffentlichte im Januar einen Artikel, in dem sich auch westliche Wissenschaftler und Ranger in Australien positiv über die Wirkung von Cultural Burning aussprachen. Jedoch kamen auch diese Experten zum Schluss, dass der australische Kontinent zu massiv durch Kolonialisierung und den Klimawandel beeinflusst worden sei. Die Landschaftsveränderung und die Dürren seien zu extrem, als dass man nur mit Cultural Burning gegen die Brände ankommen könne: Es sei daher notwendig, mit der nationalen Feuerwehr zusammenzuarbeiten.