Fraunhofer-Studie

Coworking lohnt sich

Lesezeit:
5 minuten

5 November 2014

Titelbild: Vincent Girier Dufournier und David Emmanuel Cohen/La Ruche

Coworking Space „La Ruche“ in Paris

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5 November 2014
Coworking bietet riesige Möglichkeiten, nicht nur für Freelancer und Start-ups, sondern auch für Unternehmen – sagen Wissenschaftler vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, die dazu eine Studie durchgeführt haben. Ein Gastbeitrag

Dass die meisten Coworking Spaces einfach irgendwie „cool“ sind, wissen inzwischen wohl die meisten, die je damit in Berührung gekommen sind.  Doch was genau ist es, was die Faszination des Coworking ausmacht? Worauf sollten Coworking Spaces achten, um eine solche Anziehungskraft zu entfalten? Wie reagieren herkömmliche Unternehmen auf die Sogwirkung, die Coworking offenbar auslöst? Ist eine Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Coworking Spaces denkbar? Diese und eine Reihe weiterer Fragen wurden vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation untersucht und 2014 in einer Studie veröffentlicht.

Coworking ist als Folge des Outsourcing-Trends der vergangenen 20-25 Jahre entstanden. Interessanter als die Frage, welches denn nun der erste Coworking Space war, ist die Erkenntnis, dass Coworking unabhängig voneinander an den unterschiedlichsten Orten der Welt entstanden ist – die Zeit war offenbar reif für etwas Neues.

Die Faszination des Coworking

Für noch spannender als das Entstehen und die frühe Historie des Coworking halten wir jedoch die Beobachtung, dass Coworking tatsächlich imstande ist, eine ganz besondere, einzigartige Faszination auszuüben. „It’s just about fun“ – so wurde die Atmosphäre beim Coworking auf der „Coworking Europe Conference“ in Paris 2012 in einer Diskussionsrunde beschrieben. Kann das sein? Denn, bitte sehr, wir reden hier immer noch über Arbeit, und hier soll es plötzlich nur noch um Spaß gehen? Selbst wenn wir von dieser offensichtlich begeisterten Aussage noch einen Teil abziehen, bleibt noch immer genug übrig, was Coworking innerhalb der Welt der Wissensarbeit außergewöhnlich, faszinierend und anziehend macht.

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Gibt es so etwas wie einen Schlüssel zu dieser Faszination? Nun, es würde mit Sicherheit den Rahmen dieses Beitrages sprengen, dies hier umfassend zu erläutern. Doch wenn wir uns die Situation vieler Freelancer etwas genauer vor Augen führen, dann lässt sich diese zunächst durch die Merkmale „Freiheit und Unabhängigkeit“ charakterisieren. Absolute Freiheit in Bezug auf die Arbeit würde theoretisch bedeuten, dass wir frei wählen könnten wann, wo, wie viel, mit wem, für wen und auch was wir arbeiten (S. 89). Es dürfte zwar kaum realistisch sein, dass diese Freiheit absolut existiert, dennoch liegen die Freiheitsgrade von Freelancern im Schnitt doch deutlich über denen von Angestellten in Unternehmen.

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Das klingt zunächst nicht so schlecht. Doch auf der anderen Seite mussten Freelancer vor dem Aufkommen der Coworking Spaces auch einige wichtige Dinge entbehren. Als erstes ist hier ein gewisses Maß an Strukturierung zu nennen, wobei dieser Begriff hier sowohl organisatorisch als auch infrastrukturell zu verstehen ist. Der Betreiber eines Coworking Spaces formulierte die Problematik in einem unserer Interviews sehr anschaulich: „Es geht nicht nur um Flexibilität, sondern um die Kopfschmerzen … die Putzfrau, Internet, Nebenkosten, Konferenzräume, und das sind ja alles Sachen, mit denen ein Geschäftsführer sich nicht unbedingt auseinandersetzen will, weil er gerade eine Firma aufbaut…“ (S. 63). Darüber hinaus haben wir in unseren Interviews immer wieder gehört, dass es vielfach als angenehm empfunden wird, Arbeit und Privatleben gerade auch räumlich trennen zu können. Und dies gelingt natürlich im Coworking Space, ohne dafür Freiheit oder Flexibilität opfern zu müssen.

Einen anderen Mangel des Freelancertums halten wir allerdings noch für viel gewichtiger. Man kann zwar relativ frei und unabhängig arbeiten, doch letztlich tut man dies alleine. Und gerade hier ist in vielen Coworking Spaces Erstaunliches gelungen: der Aufbau einer Community von Gleichgesinnten, die sich über ihre Arbeit austauschen, sich gegenseitig unterstützen, eine arbeitsbezogene Kontaktbörse bilden, und von der letztlich alle profitieren. Denn hierdurch wird aus einer Anzahl von Einzelkämpfern ein leistungsfähiges und flexibles Netzwerk von Spezialisten, das imstande ist, auf dem Markt durch seine Adaptionsfähigkeit sehr viel mehr Projekte für sich zu gewinnen als eine Einzelpersonen oder hierarchisch stabile Gruppen. Die Coworking Community macht daher auf der einen Seite ökonomisch Sinn,  auf der anderen Seite macht die Atmosphäre des Zusammenwirkens von Gleichen unter Gleichen offensichtlich auch einfach Spaß. Womit wir wieder beim eingangs formulierten Zitat wären: „It’s just about fun“.

Doch die Faszination des Coworking ist auch mit einer noch so gut funktionierenden Community alleine noch nicht hinreichend erklärt – auch wenn diese einen zentralen Aspekt der Faszination bildet. Trotzdem, Teamarbeit kann sich auch in Unternehmen begeisternd darstellen, wenngleich zumeist in etwas anderer Art und Weise. Doch was ist es dann? Wir denken, dass sich die Faszination des Coworking für Freelancer und Start-ups aus der einzigartigen Kombination aus Freiheit, Unabhängigkeit, Strukturierung und Community ergibt – denn eine solche Kombination ist alles andere als alltäglich. Wir haben dies in unserer Studie ausführlich begründet.

Kooperationspotenziale zwischen Coworking und Unternehmen

An dieser Stelle ergibt sich als nächstes die interessante Frage nach den Potenzialen, die durch ein Zusammenwirken zwischen Unternehmen und Coworking entstehen. Denn es ist offensichtlich, dass inzwischen auch Unternehmen beginnen, sich für Coworking zu interessieren, und zwar auf unterschiedlichste Art und Weise. Warum? Dafür existieren verschiedenartige Gründe, die bei einzelnen Unternehmen auch sehr unterschiedlich gewichtet sind. Eine kleine Auswahl: die Suche nach Entwicklungspartnern, Kosteneinsparungen, Personalakquisition, das Bedürfnis, „am Puls der Zeit“ zu bleiben, die Verbesserung der Innovationsfähigkeit und die Entwicklung von Tools und Anwendungen rund um das eigene Produktspektrum.

Offenbar beginnen einige Unternehmen die Faszination und die Leistungsfähigkeit des Coworking zu erkennen und versuchen, davon zu profitieren. Um die genannten Zielsetzungen im Einzelnen begreiflich zu machen, haben wir in unserer Studie einige Formen der aktuell praktizierten Annäherung zwischen Coworking und Unternehmen anhand von Fallbeispielen untersucht. Wir konnten zunächst acht grundlegende Formen ausmachen, in denen Unternehmen Berührungspunkte zum Coworking aufweisen. Die wichtigsten davon – hinsichtlich des Potenzials für Coworking Spaces – sind (S. 99 ff.):

„Raus aus dem Alltag“ – Unternehmen mieten gezielt für Veranstaltungen entsprechende Räume in Coworking Spaces an. Nicht zuletzt dient dies gerade auch dazu, diese neue, faszinierende Arbeitswelt einmal persönlich kennen zu lernen. Für Coworking Spaces ergeben sich hieraus natürlich Umsatz-Potenziale.

„Einmietung“ – Unternehmen mieten Arbeitsplätze in Coworking Spaces an und stellen diese ihren Mitarbeitern oder auch Projektpartnern zur Verfügung.

„Sponsoring“ – gelegentlich werden Coworking Spaces auch gezielt von Unternehmen unterstützt, um eine engere Zusammenarbeit zu ermöglichen.

„Accelerator- und Incubator-Programme“ – Freelancer und Start-ups werden hier zur konkreten Produktentwicklung kurz- oder längerfristig von Unternehmen in zumeist eigenen Coworking Spaces engagiert.

„Coworking statt Home-Office“ – es existieren auch Unternehmen, die manchen ihrer Büroangestellten kein Büro mehr zur Verfügung stellen. Hier bilden Coworking Spaces günstige Alternativen, um der Isolation des Home-Office entfliehen zu können.

Es existieren natürlich heute auch etliche andere Formen, die wir etwas vorsichtiger unter „zukünftigen Entwicklungen“ zusammengefasst haben (S. 132 ff.). Hierzu in aller Kürze zwei Beispiele: Coworking Spaces haben durchaus das Potenzial, von Unternehmen als Orte der Weiterbildung genutzt zu werden. Mitarbeiter von Unternehmen treffen im  Coworking Space auf  hochqualifizierte Fachkollegen, die jedoch von ihrem Erfahrungsschatz her vollkommen unterschiedlich sind. Der Austausch zwischen diesen beiden „Welten“ dürfte für beide Seiten mehr als interessant sein. Auch als „Sabbatical“, also der Kombination zwischen Arbeit und Urlaub lässt sich Coworking bekanntlich nutzen, wie die Spaces an beliebten Urlaubsdestinationen zeigen. Die Kombination aus Freizeit und Projektarbeit sollte sich bestens für Projektarbeit mit höchstem Kreativitätsanspruch eignen und gleichzeitig Motivation und Mitarbeiterbindung aufs Wirksamste verbessern.

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Als Fazit aus den bisherigen Überlegungen lässt sich ableiten: Coworking bietet aufgrund seiner Faszination ein riesiges Potenzial an Möglichkeiten nicht nur für Freelancer und Start-ups, sondern auch für Unternehmen. Von diesem Potenzial können auch Coworking Spaces in vielfältigster Weise profitieren, wenn Sie sich diesen Möglichkeiten stellen. Coworking Spaces, die diese Chance erkannt haben und die geeigneten Modelle entwickeln, um die Anforderungen von Unternehmen und denen ihrer Mitarbeiter zu erfüllen, werden hier entscheidend im Vorteil sein.

Die Studie „Faszination Coworking – Potenziale für Unternehmen und ihre Mitarbeiter. The Fascination of Coworking – Potentials for Companies and their Employees“ (German/English) von Wilhelm Bauer, Stefan Rief, Klaus-Peter Stiefel und Agnes Weiß (Hrsg.) ist 2014 im Stuttgarter Fraunhofer-Verlag erschienen und lässt sich kostenlos herunterladen. Die 2017 veröffentlichte Folgestudie „Coworking – Innovationstreiber für Unternehmen / Coworking – Driver of Innovation for Companies“ (hg. v. Wilhelm Bauer, Stefan Rief und Klaus-Peter Stiefel) ist über den Fraunhofer-Bookshop zu beziehen.

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