5 minuten
15 February 2018
Die nackten Zahlen lesen sich erst einmal positiv. Nach Berechnungen der Global Sustainable Investment Alliance (GSIA) wurde im Jahr 2016 jeder zweite Euro der relevanten Vermögen in Europa unter Berücksichtigung sozialer, umweltbezogener und auf eine gute Unternehmensführung ausgerichteten Kriterien angelegt. Global betrachtet waren es insgesamt 20,4 Billionen Euro, die unter diesen Aspekten investiert wurden.
Nachhaltige Geldanlagen wachsen – nur nicht bei Privatanlegern
Auch in Deutschland wächst dieser Markt stetig. Das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) notierte für das Jahr 2016 ein Gesamtvermögen von 156 Milliarden Euro, das im nachhaltigen Segment angelegt ist. Doch es lohnt sich ein genauerer Blick. Denn der Trend wird im Großteil von institutionellen Investoren getragen, also beispielsweise Kirchen, Pensionskassen, Versicherungen und Stiftungen. So lag die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate bei institutionellen Investoren in Deutschland zwischen 2012 und 2016 bei 35 Prozent. Nach Angaben des FNG sank jedoch das von Privatanlegern investierte Kapital von 9,3 Milliarden Euro Ende 2015 auf 7,5 Milliarden Euro Ende 2016. Und das, obwohl sich die Deutschen als besonders umweltbewusst einschätzen.
Das Institut für nachhaltige Kapitalanlagen (NKI) wollte genau wissen, warum es in Deutschland bei der Geldanlage ein sogenanntes Mind-Behaviour-Gap gibt, also die Diskrepanz zwischen Einstellung und Handeln. Dazu ließ das NKI Interviews durch das Marktforschungsinstitut GfK durchführen.
Die Ergebnisse der repräsentativen Befragung von 1694 Personen bestätigen zunächst einmal die auffälligen Unterschiede zwischen der Einstellung zu nachhaltigen Geldanlagen und den tatsächlichen Investitionen. Zwar hat bereits jeder Vierte (26,2 Prozent) bereits von nachhaltigen Anlagemöglichkeiten gehört und sogar 39,5 Prozent halten sie für „attraktiv und können sich grundsätzlich vorstellen ihr Geld in nachhaltige Kapitalanlagen anzulegen“. Im Gegensatz dazu stehen lediglich 4,8 Prozent, die bereits in ebensolche investieren.
Standards für nachhaltige Geldanlagen
Doch woran liegt das? Das NKI hebt zunächst einmal hervor, dass es keine allgemein gültige Antwort auf die Frage gäbe, welchen Anforderungen und Kriterien eine nachhaltige Kapitalanlage konkret genügen muss. Das sieht auch Ulrike Brendel von der Verbraucherzentrale Bremen so. Sie leitet das Projekt „Gut fürs Geld, gut fürs Klima“, auf dessen Website nachhaltige Anlage- und Altersvorsorgetipps gegeben werden. „Zwar werden in Deutschland fast 400 Investmentfonds unter dem Label ‚nachhaltig‘ angeboten, allerdings mit sehr unterschiedlichen Standards“, sagt Brendel. „Wichtig ist es daher, dass klare und verlässliche, gesetzlich definierte Mindeststandards für nachhaltige Finanzprodukte etabliert werden.“. Dabei müssten die Kriterien der Mindeststandards natürlich offengelegt und die Einhaltung kontrolliert werden.
Für Marc Pfizenmaier von der GLS Bank bergen Mindeststandards jedoch auch eine Gefahr. „Wir sehen das als nachhaltiges Institut, das über Jahre hinweg den höchsten Standard entwickelt hat, kritisch“, sagt der Senior Research Analyst. Zum einen müsse man sich auf einen Ansatz wie Positiv- oder Ausschluss-Kriterien oder den Best-of-Class-Ansatz einigen und zum anderen liege darin immer das Risiko vom kleinsten gemeinsamen Nenner. „Dann liegt die Latte zu niedrig.“ Zudem sei es durch die Vielzahl an Akteuren schwierig, sich auf eine gemeinsame Definition zu einigen und dann die Kriterien auch noch objektiv zu überprüfen. „Nehmen wir das Beispiel Menschenrechte: Zählen Verstöße bei Zulieferern noch dazu? Werden die überhaupt kontrolliert? Und von wem? Und bis zu welchem Teil der Lieferkette ist so etwas praktikabel?“, gibt Pfizenmaier zu bedenken.
Verbraucher wünschen sich mehr Transparenz
Die vorgeschlagenen Standards müssten natürlich nicht nur für Investmentfonds gelten. Denn die im deutschsprachigem Raum angebotenen sogenannten Publikumsfonds umfassen beinahe alle relevanten Anlageklassen, unter anderem Sparprodukte, Aktien, Anleihen, Immobilien und Forst. Die Transparenz, wie und nach welchen Kriterien die Produkte aufgestellt sind, fehlt jedoch häufig. Das bestätigt auch die NKI-Umfrage. Die Teilnehmer bemängeln vor allem die unzureichenden Informationen zu den entsprechenden Produkten (40,1 Prozent) und die unklaren Wirkungen für die nachhaltige Entwicklung (35,2 Prozent).
Eine Initiative für mehr Transparenz ist der Eurosif-Transparenz-Kodex. Die „Unterzeichner des Kodex sollen offen und ehrlich sein und genaue, angemessene und aktuelle Informationen veröffentlichen, um den Stakeholdern, der breiten Öffentlichkeit und insbesondere den Anlegern zu ermöglichen, die ESG1-Strategie eines Fonds und deren Umsetzung zu verstehen“, heißt es auf der Website. Zudem müssen die Informationen leicht zugänglich, also beispielsweise auf der Website der Fondsgesellschaft einzusehen sein. Für Deutschland, Österreich und die Schweiz gibt es rund 150 Fonds, die den Kodex erfüllen.
Doch sind mehr Informationen wirklich zielführend? „Transparenz ohne Standards hilft Verbraucherinnen und Verbrauchern nur bedingt weiter. Die Transparenz mündet daher häufig in blumiger Prosa, die keine wirkliche Aussage und schon gar keine Vergleichbarkeit liefert“, sagt Ulrike Brendel.
Kann eine Investment-Ampel helfen?
Eine kleine Orientierung bietet den Verbrauchern aktuell schon das FNG-Siegel, das bisher an 45 Fonds verliehen wurde. Einschränkend muss jedoch gesagt werden, dass noch nicht alle auf dem Markt als „nachhaltig“ bezeichneten Fonds vom FNG untersucht wurden. Analog zur viel diskutierten Lebensmittelampel könnte ein ähnliches Instrument auch im Finanzmarkt eine erste Orientierung bieten. Für GLS-Bank-Sprecher Julian Mertens ist eine Ampel in seiner Branche nicht mehr als eine grobe Orientierung: „Auch bei einer Ampel stellt sich die Frage: Was heißt denn grün genau? Wir raten unseren Kunden deshalb immer, sich bei allen Anlagen die Produkte genau anzuschauen, um zu wissen, wie sie sich zusammensetzen. Siegel, Ampeln oder Anlege-Ratgeber dienen dann zur Orientierung.“
Helfen würden bessere Informationen zu den Anlageprodukten auf jeden Fall bei zwei weiteren Punkten, die in der NKI-Umfrage als Grund für ein fehlendes Investment genannt wurden. 30,9 Prozent der Befragten fürchten ein höheres Anlagerisiko und 22,5 Prozent eine schlechtere Rendite. Dabei zeigen die Performances zahlreicher nachhaltiger Produkte, dass diese Ängste unbegründet sind.
Nachhaltige Geldanlagen als Pflicht bei der Beratung
Wie sollten also umweltbewusste Einstellungen und Anlageverhalten in Einklang gebracht werden? Das NKI sieht nicht nur die Anbieter in der Verantwortung. Es fehle auch an der Beratung der Kunden in den Banken. Diese würden jedoch argumentieren, dass die geringe Nachfrage keine umfangreichen Initiativen auf Produkt- und Kommunikationsseite rechtfertige. Doch ist es nicht auch eine gesellschaftliche Aufgabe einer Bank, nachhaltige Alternativen anzubieten? Sollten die Banken nicht verpflichtet werden, nachhaltige Anlagen in den Beratungsgesprächen zu präsentieren?
Für einen Teil der Institute sieht das auch die Verbraucherzentrale Bremen so. „Bei Sparkassen, die auch in öffentlicher Hand sind, sehe ich auch die gesellschaftliche Aufgabe, nachhaltige Produkte anzubieten“, sagt Ulrike Brendel. Generell sieht sie im Produktportfolio zahlreicher Geldinstitute Nachholbedarf. „Während Verbraucherinnen und Verbraucher bei einer konventionellen Bank oder Sparkasse zwar durchaus nachhaltige Investmentfonds bekommen können, sieht es mit ethisch-ökologischen Alternativen in anderen Finanzproduktbereichen düster aus. Wer ein ethisch-ökologisches Girokonto oder Sparprodukt möchte, dem bleibt als Wahl nur der Wechsel zu einer kirchlichen oder alternativen Bank“, sagt Ulrike Brendel. Instituten wie die GLS Bank, die Triodos Bank, die Steyler Ethik-Bank oder die Ethikbank seien zudem sehr transparent, was ihre Kapitalanlagen angingen.
Keine einfachen Lösungen in Sicht
Zudem sehen die Verbraucherschützer die Situation bei den Altersvorsorgen sehr kritisch. „Bei einem staatlich geförderten Produkt wie Riester oder der betrieblichen Altersvorsorge gibt es auf dem Markt fast gar keine konsequent grünen Angebote“, so Brendel. Die Verbraucherzentrale Bremen setzt sich zudem dafür ein, dass für staatlich geförderte Finanzprodukte verbindliche Standards vorgeschrieben werden. „Immerhin fließen hier öffentliche Gelder rein und diese dürfen unserer Ansicht nach nicht in Bereiche investiert werden, die beispielsweise der Klimapolitik oder Menschenrechtspolitik der Bundesregierung entgegenlaufen“, erklärt Brendel den Standpunkt. Marc Pfizenmaier gibt sich hier gerade im Hinblick auf die Verhandlungen der Großen Koalition skeptisch: „Regierungsziele wie gerade aktuell zur Klimapolitik können sich ändern. Gleiches gilt auch für die Personen in den Ministerien. Ich denke, man sollte sich nicht davon abhängig machen. Viel eher könnte ich mir da von der Zivilgesellschaft geformte Standards vorstellen.“
Einfache Lösungen wird es augenscheinlich nicht so schnell geben. Und so werden vor allem die Banken, die sich auf nachhaltige Geldanlagen spezialisiert haben, um die Privatanleger allein an weiter Front kämpfen. Der Vorteil: Wenn diese erst einmal mit den Kunden in Kontakt kommen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass bei einer Investition wirklich grüne Produkte zur Anwendung kommen. Der Nachteil: Noch ist die Kundenbasis ziemlich gering. Hier könnten Standards und Siegel helfen, um noch mehr Menschen für nachhaltige Anlageprodukte zu interessieren. Denn die NKI-Umfrage zeigt: Der Markt ist da.