9 minuten
11 December 2014
Auf dem Boden der Holzhütte hockt eine junge Frau, sie wiegt ein schlafendes Mädchen in ihren Armen. Arti* ist 29 Jahre alt und seit kurzem Witwe. Ihre fünf Monate alte Tochter Gemasti wird ihren Vater nie mehr sehen. Am 5. März 2014 schlugen Sicherheitsleute des Palmölkonzerns PT Asiatic Persada mit Eisenstangen und Gewehrkolben so brutal auf den protestierenden Puji ein, dass er starb. „Wenn Puji an einer Krankheit gestorben wäre, könnte ich damit leben“, sagt Arti. „Aber er wurde mir geraubt.“
Pujis Tod ist der blutige Höhepunkt des Landkonflikts zwischen PT Asiatic Persada und dem Volk der Suku Anak Dalam in der Provinz Jambi auf Sumatra, Indonesien. Vor rund 30 Jahren begann die Firma hier damit, den Regenwald der Indigenen abzuholzen, um im Anschluss daran Palmölplantagen anzupflanzen.
Obwohl sich die Menschen gegen die Bulldozer stellten und ihren „Wald der Ahnen“ besetzten, wurde weiter illegal abgeholzt. Heute liegt das einstige Regenwalddorf Bungku inmitten einer Monokultur aus Ölpalmen – eineinhalb Mal so groß wie München. Noch immer kämpfen die Menschen dafür, ihr Land zurückzubekommen. Bislang vergeblich.
Der Palmöl-Verbrauch hat sich in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt
Palmöl ist mit 60 Millionen Tonnen pro Jahr das meistverwendete Pflanzenfett der Welt. Der Verbrauch von Palm- und Palmkernöl, gewonnen aus Frucht und Kernen der Ölpalme, hat sich in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt. Laut Schätzungen der Umweltorganisation WWF steckt es mittlerweile in etwa jedem zweiten Supermarktprodukt. Denn Palmöl ist weitaus billiger als beispielsweise Rapsöl und zudem recht praktisch: Sein hoher Schmelzpunkt hält es bei Raumtemperatur sowohl geschmeidig als auch fest. Es eignet sich ideal für Schokoriegel, Nuss-Nougat-Creme, Eis und Knabberzeug, aber auch für Tütensuppen oder Tiefkühlpizza. Knapp 70 Prozent des umstrittenen Öls werden laut des Statistikdienstes „Oil World“ in der Lebensmittelindustrie verarbeitet. Es steckt auch in Agrartreibstoffen, Putz- und Waschmitteln, Kosmetik und Kerzen, Farben und Lacken.
Seit dem 13. Dezember 2014 nun müssen die Hersteller genau angeben, welches Pflanzenöl ein Produkt enthält. So will es die Europäische Union. Die vage Bezeichnung „Pflanzenfett“ ist dann nicht mehr zulässig. Dahinter verbirgt sich fast immer Palmöl. Und das verursacht am anderen Ende der Welt eine Reihe nicht enden wollender Konflikte.
Indonesien ist der größte Palmölproduzent der Welt: Etwa die Hälfte des weltweit produzierten Öls kommt von dort. Der Rest stammt überwiegend aus Malaysia und anderen Nachbarländern in Südostasien. Doch auch in Lateinamerika und Afrika breiten sich bereits die Plantagen aus.
In Indonesien wachsen die Ölpalmen heute auf 13 Millionen Hektar – einer Fläche, drei Mal so groß wie die Schweiz. Zuvor wuchs und gedieh dort Regenwald.
Genau das ist das Problem: Die Tropenpflanzen wachsen fast immer dort, wo zuvor Wald gerodet wurde. Auf der dreistündigen Fahrt nach Bungku wird das Ausmaß der Zerstörung deutlich. Links und rechts der Straße nichts als Monokulturen: Große Palmen, kleine Palmen, kahle Flächen mit Baumstümpfen, auf denen bereits Setzlinge in schwarzer Plastikfolie darauf warten, gepflanzt zu werden. Daneben donnern Dutzende LKW über holprige Sandpisten. Auf ihren Ladeflächen stapeln sich die Palmölfrüchte. Sie sehen aus wie gigantische Ananasse.
Laut einer Untersuchung von Greenpeace ist in Indonesien keine Branche stärker an der Regenwaldrodung beteiligt als die Palmölindustrie. Sie hat dafür gesorgt, dass dort Tiere wie der Orang Utan, Waldelefanten und Tiger vom Aussterben bedroht sind. Dessen ungeachtet soll die Ölproduktion bis 2025 auf 40 Millionen Tonnen gesteigert und die Anbaufläche verdoppelt werden. Denn für das Schwellenland ist Palmöl inzwischen das drittwichtigste Exportprodukt.
Auch die europäische Kimaschutzpolitik hat Schuld
Der Palmölboom hat Indonesien aber auch eine unselige Spitzenposition eingebracht: Der Inselstaat hat Brasilien als Waldvernichter Nummer eins abgelöst. Durch Brandrodung und die Abholzung von Regenwald auf Torfböden, bei der besonders viel im Boden gespeichertes Kohlendioxid und Methan in die Atmosphäre entweichen, ist Indonesien auch noch zum drittgrößten CO2-Emittenten der Welt aufgestiegen.
Es klingt paradox – doch zuzuschreiben ist diese Entwicklung auch der europäischen Klimaschutzpolitik.
2003 brachte das Europäische Parlament eine Richtlinie zu Biokraftstoffen auf den Weg, die 2009 in der Erneuerbare-Energie-Richtlinie aufging. Diese schreibt für den Verkehrssektor vor, dass bis 2020 mindestens ein Zehntel des gesamten Kraftstoffverbrauchs aus nachwachsenden Rohstoffen stammen müssen. Diese Beimischungsquote gilt als Strategie gegen den Klimawandel, um gemäß des Kyoto-Protokolls den CO2-Ausstoß zu senken. Agrartreibstoffe sollten außerdem die Abhängigkeit vom Erdöl verringern und einen Absatzmarkt für landwirtschaftliche Produkte in der EU schaffen. Doch weil es in ganz Europa nicht genug Fläche gibt, um Mais, Raps oder Rüben für den Tank anzubauen, begann die EU, die Länder des Südens in ihre Treibstoffpolitik miteinzubeziehen. Heute ist die EU drittgrößter Importeur von Palmöl.
„Allein die Ankündigung der gesetzlichen Beimischungsquote hat für einen Expansionsboom bei Palmöl in Indonesien gesorgt“, sagt Indonesien-Expertin Marianne Klute vom Denkhaus Bremen, das NGOs und Non-Profit-Organisationen berät. Zwar wird nur ein Zwanzigstel des weltweit gehandelten Palmöls für Agrarsprit verbraucht. Doch zwischen 2006 und 2013 hat sich der Palmölverbrauch für Agrarsprit in der EU nahezu verfünffacht – auf zuletzt 1,9 Millionen Tonnen im Jahr. Allein die dafür benötigten Plantagen nehmen eine Fläche von der doppelten Größe Mallorcas ein.
Laut EU-Richtlinie muss Agrarsprit im Vergleich zu fossiler Energie mindestens 35 Prozent CO2 einsparen. Berücksichtigt man die komplette Wertschöpfungskette, geht diese Rechnung jedoch nicht auf. Dann nämlich ist Agrartreibstoff, vor allem wenn er Palmöl enthält, klimaschädlicher als Benzin aus Erdöl. Das haben selbst Studien der EU-Kommission belegt.
Trotzdem werden Rodungen und Landvertreibungen fortgesetzt. Vor allem indigene Völker wie die Suku Anak Dalam sind davon betroffen, die letzten Waldnomaden Sumatras, die auch in Bungku leben.
Wie jeden Tag, hatte Puji sich auch am 5. März 2014 mit seinem Motorrad zu seinem Land und seinen Leuten auf den Weg nach Bungku gemacht. Als er dort ankam, hatten Sicherheitsleute des Palmölkonzerns PT Asiatic Persada und Militärs seinen Freund Titus bereits unter Schlägen und Tritten von seinem Haus weggezerrt und zur Firma verschleppt. Sie warfen ihm vor, Erntearbeiter angestiftet zu haben, Palmölfrüchte zu klauen. Mit dieser Unterstellung wurden schon Dutzende ins Gefängnis gesteckt, auch in Bungku. Zusammen mit Bauern, Freunden und Familienangehörigen machte sich Puji auf, um Titus’ Freilassung zu fordern. Doch dann schlugen Militär und Wachleute auch auf die Protestierenden ein. Sechs Männer wurden dabei so schwer verletzt, dass sie ins Krankenhaus gebracht werden mussten. Puji, noch gefesselt und geknebelt, starb dort an seinen Verletzungen.
So ist der Fall von zahlreichen NGO wie Rettet den Regenwald, Robin Wood oder Sawit Watch! dokumentiert.
Arti, seine Frau, lebt seither in der Hütte ihres Vaters. Mit seiner Hilfe muss sie sich und fünf Kinder durchbringen. Ihre Zukunft, die sie sich mit Puji ausgemalt hatte, mit dem sie ein Haus bauen wollte, liegt in Trümmern. Auf Entschädigung wartet Arti bislang vergeblich.
Mächtige Verstrickungen zwischen Staat, Militär, Banken und Palölkonzernen
Die Tragödie von Bungku klingt wie ein von Einzeltätern begangenes Verbrechen. Tatsächlich aber handelt es sich um einen von geschätzten 5000 Landkonflikten, die die Palmölindustrie allein in Indonesien heraufbeschworen hat. Pujis Fall liegt auch der Menschenrechtskommission der indonesischen Regierung vor. Doch zu mächtig sind die Verstrickungen zwischen Staat, Militär, internationalen Banken und den Palmölkonzernen. Das Geschäft mit dem Pflanzenöl beschert gewaltige Profite. Korruption ist allgegenwärtig.
Auch das Unternehmen Wilmar International war in diesen Landkonflikt verwickelt – Asiens größter Agrarkonzern, weltgrößter Verarbeiter und Vertreiber von Palmöl. Laut der NGO Rettet den Regenwald soll allein Wilmar für mindestens 100 Landkonflikte verantwortlich sein. Der Konzern ist Hauptlieferant des Lebensmittelkonzerns Unilever, mit jährlich 1,5 Millionen Tonnen der größte Einzelverbraucher von Palmöl. Daneben beliefert Wilmar auch Nestlé, Cargill und Procter & Gamble.
Seit 2005 ist Wilmar Mitglied des umstrittenen „Round Table on Sustainable Palm Oil“ (RSPO). Dieser Runde Tisch wurde 2004 vom WWF als Reaktion auf die Regenwaldzerstörung initiiert. Doch die freiwillige Initiative wird dominiert von der Palmöl-Industrie: 951 Produzenten, Händler, Investoren, Verarbeiter und Banken sitzen hier 40 Nichtregierungsorganisationen gegenüber.
RSPO-zertifiziertes Palmöl kam erstmals 2008 auf den Markt. Doch so nachhaltig, wie es der Name verspricht, ist es nicht. Noch im selben Jahr lehnten 256 Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen den RSPO als Greenwashing ab.
Tatsächlich sind die Kriterien lasch: Sie schließen lediglich die Abholzung von Primärwald und besonders erhaltenswerten Wäldern aus. Der Anbau auf Torfböden und die Verwendung hochgefährlicher Pestizide wie Paraquat sind nicht verboten. Kritisiert wird auch, dass die Kontrolleure vom Runden Tisch oder seinen Mitgliedern selbst beauftragt werden. Eine unabhängige Kontrollinstanz gibt es nicht. Somit treibt das Siegel weniger den Schutz des Waldes und seiner Anwohner voran. Vielmehr dient es Industrie und Politik als Legitimation und zur Nachschubsicherung für ihren steigenden Palmölbedarf.
Auch die EU, die für den Import von Biokraftstoffen Nachhaltigkeitskriterien gesetzlich vorschreibt, akzeptiert als Nachweis das RSPO-Siegel.
Doch nachhaltiges Palmöl in diesen Mengen könne es gar nicht geben, sagen Vertreter von Rettet den Regenwald, Watch Indonesia! oder Robin Wood sowie ihre lokalen Partnerorganisationen. Die gigantischen Monokulturen und deren Ausweitung hätten unweigerlich die Vernichtung von Regenwald und Artenvielfalt sowie Landraub zur Folge. Auch nach zehn Jahren RSPO habe sich die Situation in Indonesien nicht verbessert. Im Gegenteil: Die Mitglieder des Runden Tisches verstoßen nicht nur gegen ihre eigenen Kriterien, sondern auch gegen nationales Recht. Denn obwohl Brandrodungen in Indonesien verboten sind und die Regierung sogar ein Moratorium für die Abholzung von Primärwald verhängt hat, schreitet das Waldsterben weiter voran.
Greenpeace hat in einer Studie die Ursachen der Waldbrände untersucht, die im Juni 2013 in Jambis Nachbarprovinz Riau wüteten – es waren die schlimmsten seit 16 Jahren. Demnach entstand mehr als ein Drittel der Feuer durch Brandrodung auf Palmöl-Konzessionen von RSPO-Mitgliedern.
Selbst Jan Kees Vis, Unilever-Manager und lange Präsident des Runden Tisches, gab 2013 anlässlich der ersten europäischen RSPO-Konferenz in Berlin zu: „Bisher kann man vor Ort keine Effekte sehen.“ Trotzdem hält er am RSPO fest: „Wenn wir die Firmen sofort rauswerfen, wem würde das nutzen? Wer könnte dann helfen, Kompensationen für die betroffenen Gemeinden durchzusetzen? Die Täter würden von der Bildfläche verschwinden und wir hätten keinen Einfluss mehr auf die Situation.“
Zwar gibt es einen Beschwerdemechanismus beim RSPO. Doch im ersten Wirkungsbericht, den der Runde Tisch im Herbst 2014 erstmals vorlegte, wurden 46 Beschwerden gegen Mitglieder umgesetzt, jedoch nur 19 davon auch abgeschlossen. 19 aus mehreren Tausend.
Zurück in Bungku, führt die Fahrt auch an jener Stelle vorbei, an der Puji gefoltert wurde. Es war nicht der erste Fall von Gewalt gegen die Menschen von Jambi. Schon 2011 hatten Sicherheitsleute von PT Asiatic Persada sowie eine Spezialeinheit der Polizei die Siedlung Sungai Beruang gestürmt, dabei 83 Häuser zerstört und auf die in Panik fliehenden Menschen geschossen.
Damals gehörte PT Asiatic Persada seit fünf Jahren zum RSPO-Mitglied Wilmar. Erst im Jahr darauf begannen Schlichter der Weltbank, zwischen den Suku Anak Dalam und Wilmar zu vermitteln. Dann entledigte sich der Konzern seines Schandflecks auf der grünen Weste und verkaufte PT Asiatic Persada 2013 an die Ganda Group.
Es war ein Deal unter Familienmitgliedern: Eigentümer Ganda Sitorus ist der Bruder von Martua Sitorus, dem Mitbegründer von Wilmar. So wurde Wilmar auch die Verhandlungen los, die kurz darauf abgebrochen wurden. Nur wenige Wochen später schickte PT Asiatic Persada 1500 Soldaten und Sicherheitskräfte nach Bungku. Sie vertrieben die Menschen mit Gewalt, zerstörten und plünderten insgesamt fast 300 Hütten.
„Wir wollen unser Land zurück“
Hunderte Suku Anak Dalam hausen seit ihrer Vertreibung in einer Art Flüchtlingscamp, zum Teil unter Plastikplanen. Manche schlafen auch im Straßengraben. Zurück in ihre Dörfer können sie nicht mehr – die Firma hat den Zugang mit Wassergräben und bewachten Schranken abgeriegelt. Pujis Freunde sitzen auf zusammengezimmerten Brettern. Sie sind erschöpft, viele traumatisiert. Ardani, ihr charismatischer Anführer, hustet unablässig. Sie haben zu wenig Essen und zu wenig Wasser.
„Wir wollen unser Land zurück“, sagt Ardani. „Der Wald gab uns, was wir brauchten. Wir waren reich und sicher.“ Jetzt sind sie mittellos. Manche versuchen, Palmölfrüchte zu verkaufen. Doch wenn sie kein Geld haben, um die Security zu bestechen, werden sie als Diebe verhaftet. Ardani selbst saß dafür schon im Gefängnis.
Er redet keine Viertelstunde, da nähert sich ein Soldat auf dem Motorrad. Eine bedrohliche Situation: Die Widerständler stehen unter Beobachtung. Der Soldat setzt sich in die Runde, die Gespräche verstummen. Als er nach zwei Stunden fährt, ist es bereits dunkel. „Du musst den Leuten bei dir sagen, dass sie kein Palmöl von Asiatic Persada kaufen dürfen. Die haben unser Land gestohlen!“, sagt Ardani.
Unilever sind die Verstöße seines Hauptlieferanten Wilmar durchaus bekannt. Der weltgrößte Einkäufer von Palmöl weiß auch, dass es eine Verbindung zwischen Wilmar und PT Asiatic Persada gab. Doch was folgt daraus? Kann Unilever ausschließen, Öl von PT Asiatic Persada zu beziehen? Was unternimmt der Konzern, um Landkonflikte wie den in Jambi zu befrieden?
Unilever antwortet schriftlich, dass weder sie noch Wilmar Palmöl der Ganda Group beziehen. Letzteres habe Wilmar schriftlich bestätigt. Unilever verweist auf die neue Strategie, bis Ende 2014 „100 Prozent rückverfolgbares und nachhaltig zertifiziertes Palmöl“ für die „Foods Kategorie in Europa“ zu beziehen. Mittels GPS würde das Öl bis zu den Mühlen verfolgt und damit die Plantage identifiziert. Das Umfeld der Mühlen soll mit Satellitendaten überwacht werden, um Krisenherde zu ermitteln. Man wolle durch „Dialog und enge Kooperation die Industrie transformieren“.
Und die EU? Eigentlich müsste sie die Auswirkungen der Erneuerbare-Energien-Richtlinie überprüfen und entsprechend anpassen. Das schreibt die Nachhaltigkeitsverordnung vor. Doch Reformen werden seit Jahren aufgeschoben und die Verantwortung an freiwillige Siegelinitiativen der Industrie abgeschoben, wie etwa den RSPO.
„Palmöl ist ein Riesengeschäft, da gibt es viele Interessen“, sagt Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament. Er hält es für eine „Fehlentscheidung, dass die EU an der Zwangsbeimischung festhält“. Der Umweltausschuss der Kommission, dem Häusling angehört, hatte eine Senkung der Quote von zehn auf fünf Prozent beschlossen, doch das Parlament hob die Grenze vorerst wieder auf sechs Prozent an. Noch ist nichts entschieden. Die Industrie hat eine wirkmächtige Lobby. Denn auch die Automobilindus-trie ist an Agrarsprit interessiert. Sie kann ihn auf den Flottenverbrauch anrechnen.
Viele Organisationen fordern, die EU solle die Beimischungsquote aufgeben. Häusling hält das für wenig aussichtsreich: „Daran hat die EU kein Interesse. Außerdem ist Palmöl aus Indonesien nicht international geächtet wie Öl aus Iran. Man kann nicht einfach sagen, wir importieren das nicht mehr – sonst klagt die indonesische Regierung wegen Wettbewerbsbehinderung bei der Welthandelsorganisation.“
Der Wald brennt für den Klimaschutz der reichen Länder
Ortswechsel: Berlin, 2. September 2013. Trotz des ungemütlichen Wetters haben sich Demonstranten vor dem Sitz der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) versammelt. Ein Mann im Orang-Utang-Kostüm hält ein Schild in die Höhe: „Mir qualmt der Pelz. Stopp Brandrodung!“ ist darauf zu lesen. Daneben schrubben Männer und Frauen die Straße, sie tragen grüne Schürzen, darauf steht „Greenwasher“. Die gemeinsame Protestaktion von Rettet den Regenwald, der Gesellschaft für bedrohte Völker, Robin Wood, Urgewald und Watch Indonesia richtet sich gegen das neue Forum für nachhaltiges Palmöl (FONAP). Diese Initiative wurde von GIZ, Henkel, Rewe, Unilever und dem WWF gegründet und durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert.
Auch hier geht es nicht etwa darum, den Verbrauch zu reduzieren. Stattdessen will das FONAP deutsche Unternehmen dabei unterstützen, bis Ende 2014 nur noch 100 Prozent zertifiziertes Palmöl zu kaufen – freiwillig, zum Beispiel mit RSPO-Siegel. Damit, so FONAP, ließe sich „breitenwirksamer Druck“ auf die Palmöl-Erzeuger aufbauen. Außerdem will das Forum die Kriterien des RSPO und anderer Zertifizierungssysteme verbessern.
Doch was nützt es, wenn sich RSPO-Mitglieder nicht mal an bestehende Kriterien halten? Wie viel Druck können Unternehmen aufbauen, deren Interesse letztlich im Zugang zu noch mehr Palmöl besteht?
Für ein Gespräch steht Daniel May, Generalsekretär des FONAP, nicht zur Verfügung. Stattdessen antwortet die GIZ schriftlich, mit einer holzschnittartigen Mitteilung.
Darin heißt es etwa: „Das FONAP ist überzeugt davon, dass zertifiziertes Palmöl besser ist als nicht zertifiziertes Palmöl. Es steht jedoch außer Frage, dass es sowohl bei den Zertifizierungsstandards als auch bei deren Umsetzung weiteren Verbesserungsbedarf gibt.“
Die Vertriebenen von Bungku wird das kaum trösten. Zum Abschied sagt Ardani, Pujis Freund, es schmerze ihn, die Kinder zwischen den vielen nutzlosen Ölpalmen aufwachsen zu sehen. Das Wissen, wie man mit und von der Natur lebe und die Wälder der Ahnen erhalte, sei für diese Generation verloren.
Vermutlich wird ihnen kaum etwas übrig bleiben, als sich gegen einen Hungerlohn in den Palmölplantagen zu verdingen. Denn ihr Wald wird für den Klimaschutz der reichen Länder verbrannt und das Palmöl dort zu Tütensuppen, Tiefkühlpizza und Aufbackbrötchen verarbeitet. Dinge, die niemand zum Leben braucht.
*Name geändert